Wird die deutsche Commerzbank bald italienisch?
Die italienische Großbank Unicredit strebt eine Übernahme der Commerzbank an, bei der der deutsche Staat seit der Finanzkrise größter Einzelaktionär ist. Unicredit will den schrittweisen Verkauf der staatlichen Aktien nun nutzen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat erklärt, man wolle dies verhindern. Europas Presse kommentiert.
Europa stolpert wieder über nationale Interessen
La Stampa sieht hinderlichen Nationalismus:
„Die EZB und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) fordern seit Jahren grenzüberschreitende Fusionen im Kreditwesen. Aber es hat sich nicht ergeben, die Fusionen zwischen Banken zweier Länder, die die gewünschten kontinentalen Champions hervorgebracht hätten. … Was im Falle der Commerzbank ausbremst, ist derselbe Grund, der auch das Hauptmanko der aktuellen EU ist: der Schutz eines missverstandenen nationalen Interesses gegenüber einem gemeinsamen Wachstum. Die internen Gewerkschaften der Commerzbank haben erklärt, dass sie nicht die Absicht haben, sich dem 'Eroberer' zu beugen. ... Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich gegen den Rat seines eigenen Finanzministers diesen Forderungen angeschlossen. Die Idee der Bankenunion droht zu einer Worthülse zu verkommen.“
Träger Staat führt zu trägen Banken
Das Handelsblatt kommentiert:
„Die Staatsbeteiligung des Bundes hat die Commerzbank in den letzten 16 Jahren offensichtlich träge werden lassen. Sie hat nicht dazu geführt, dass die Bank wesentlich größer und profitabler wurde. Mit einem Börsenwert von weniger als 20 Milliarden Euro gehört sie zu den eher kleineren Nummern in der europäischen Bankenlandschaft. Bei der Deutschen Bank wird man das Schicksal der Commerzbank genau beobachten. Deutschlands größtes Finanzinstitut muss auf Sicht auch wachsen, wenn es nicht den Weg des Konkurrenten gehen will. ... Die Bundesregierung wurde derweil von Unicredit vorgeführt. Der Bund wollte keine weiteren Anteile an die Italiener verkaufen. Das hat die wenig beeindruckt, wie man jetzt sieht. Offensichtlich ist der Staat nicht nur ein schlechter Unternehmer, sondern auch ein schlechter Investor.“
Deutsche Geldinstitute schwächeln
Das deutsche Finanzsystem ist ins Hintertreffen geraten, analysiert Corriere della Sera:
„Während Italien, Spanien oder Irland ihre Bankensysteme nach der Finanzkrise – wohl oder übel – umstrukturiert haben, wurde Deutschland von den europäischen Behörden nie dazu gedrängt, dies zu tun. Das Ergebnis ist, dass die zweitgrößte Bank, die Commerzbank, seit nicht weniger als 16 Jahren in der Obhut der öffentlichen Hand ist (wozu die Aufsichtsbehörden schweigen), während die Deutsche Bank als größte Bank so schwach ist, dass sie nicht in der Lage ist, ihr zur Hilfe zu kommen, um sie vor dem Zugriff 'fremder Hände' zu retten.“
Eine Sackgasse
Mediapart ärgert sich über Berlin:
„Deutschland hat ebenso wenig wie andere Länder dazu beigetragen, eine Lösung zu entwickeln, um Staaten nicht länger den Risiken ihrer Banken auszusetzen. Das ist vielleicht einer der Vorwürfe, die man den aufeinanderfolgenden deutschen Regierungen machen könnte. Seit Jahren sind sie eine Kraft des Widerstands gegen jegliche Veränderung – manchmal zu Recht – und fordern die Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Gegebenheiten. Das verweigern sie jedoch allen anderen. Gleichzeitig machen sie nie eigene Vorschläge, was alle in einer Sackgasse zurücklässt.“