Jetzt also doch: Joe Biden begnadigt seinen Sohn
Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit hat US-Präsident Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt. Und das obwohl er mehrfach beteuert hatte, dies nicht tun zu wollen. Sein Sohn sei ungerecht behandelt worden, die Anklagen politisch motiviert, schrieb Biden in einer Erklärung vom Sonntag. Hunter Biden hatte gegen das Waffenrecht verstoßen sowie sich wegen Steuervergehen schuldig bekannt. Europas Presse sieht Bidens Schritt kritisch.
Jeder muss vor der eigenen Haustür kehren
In Justizangelegenheiten schenken sich Demokraten und Republikaner nichts, findet Pravda:
„Biden argumentiert, dass sein Sohn absichtlich reingelegt worden sei. Möglich. Aber die Fakten sprechen eine klare Sprache. Hunter war nicht unschuldig. Schließlich gestand er seine Schuld selbst ein. Er hatte illegalen Waffenbesitz und Drogenkonsum verheimlicht und Steuerdelikte in Höhe von 1,4 Millionen Dollar begangen. Sein verschwenderisches Privatleben war sicherlich nicht vorbildlich. ... Aber wenn sich Demokraten über einen zweckdienlichen politischen Prozess beschweren, sollten sie vor ihrer eigenen Haustür kehren. Waren die Strafverfolgungen gegen Trump und dessen Leute nicht gleichermaßen motiviert, nur um Trump für immer zu zerstören?“
Ein durch und durch undemokratisches Justizsystem
Die Begnadigung ist für The Times Ausdruck eines äußerst fragwürdigen Demokratieverständnisses:
„Begnadigungen durch den Präsidenten sind offenbar ein Justizmissbrauch und dennoch Teil des Systems. ... Dieses Justizsystem ist durch und durch politisiert. ... Das Justizministerium wird von einem Kabinettsmitglied geleitet, der vom Präsidenten ernannt wird; seine leitenden Beamten, einschließlich der Staatsanwälte, werden vom Weißen Haus mit Zustimmung des Senats ernannt; die Richter des Obersten Gerichtshofs werden auf ähnliche Weise ausgewählt. Eines der Grundprinzipien eines demokratischen Systems ist ein unparteiisches, von der Politik getrenntes Justizsystem. Die Begnadigung von Hunter Biden ist nur der jüngste Fall, der die Frage aufwirft, ob Amerika überhaupt eine Demokratie ist.“
Begnadigungen schaden der Demokratie
Kristeligt Dagblad sieht die gesellschaftlichen Gräben wachsen:
„Eines der Hauptthemen im Wahlkampf war die Distanz zwischen der Elite und dem Volk. Die Begnadigungen von Biden und Trump verdeutlichen sehr klar, dass es die Distanz gibt. Wenn Sie einem Präsidenten nahestehen, gelten möglicherweise andere Regeln im Rechtssystem. ... Dieses Rechtsverständnis schadet natürlich dem Vertrauen der Bürger in die Demokratie. ... Das sollte sowohl Demokraten als auch Republikanern Anlass zum Nachdenken geben. Es war einmal, als ihre Vorfahren das alte Europa verließen, um eine bessere Welt zu schaffen. Eine Welt, in der Könige keine besonderen Privilegien hatten.“
Unfair und doch verständlich
Trud zeigt Verständnis für Bidens Schritt, bleibt jedoch kritisch:
„Die Konservativen in den USA haben Bidens Vorgehen bereits verurteilt, zumal er mehrfach erklärt hatte, dass er seinen Sohn nicht begnadigen wird. Der Vorfall ist eine offensichtliche Verhöhnung von Bidens Beteuerungen, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Er sagt das Gleiche in seiner Erklärung, aber auch, dass die Anklage seines Sohnes tatsächlich politisch und nicht strafrechtlich begründet sei. Es ist nachvollziehbar, dass ein Vater nicht will, dass sein Sohn ins Gefängnis kommt. Das ist menschlich, aber sind dann vor dem Gesetz wirklich alle gleich? “