Trumps neue Weltpolitik: Was soll Europa tun?

Angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden Wende in der US-Außenpolitik unter Präsident Trump scheinen alte Sicherheiten ungewiss und neue Strategien notwendig zu werden. Nicht nur in der EU zeichnen sich dementsprechend neue Koalitionen und Vorgehensweisen ab. Europäische Medien debattieren, ob und wie Europa sich weltpolitisch neu aufstellen könnte.

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Berlingske (DK) /

Neue Bündnisse schmieden

Europa kann einiges tun, um neue Stärke zu erlangen, meint Berlingske:

„Die EU sollte die Verhandlungen über Freihandelsabkommen unter anderem mit Indien, Australien und Indonesien intensivieren, und sich – wie der frühere Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kürzlich vorschlug –, um den Aufbau einer Achse von Ländern bemühen, die 'dem Druck vonseiten Russlands, Chinas und eventuell auch den USA auf kleinere Länder entgegenwirken'. ... Wir sollten die USA nicht wegstoßen, gleichzeitig aber in Europa enger zusammenrücken und neue Allianzen eingehen, die unserem Ziel einer internationalen Rechtsordnung dienen.“

Spotmedia (RO) /

Der Bumerang-Effekt gilt auch für die USA

Die US-Führung kann mit ihrem Vorgehen Prozesse auslösen, die ihr letztlich schaden, heißt es in Spotmedia:

„Niemand weiß, ob die Nato die von Donald Trump losgetretene Krise übersteht. ... Zudem wird sich sicherlich eine neue Art Militärbündnis bilden - zwischen den europäischen Staaten, Kanada, Großbritannien und wahrscheinlich Australien und Neuseeland, ein formelles oder informelles Bündnis. … Viele Strategien, die von Trump und Vance im Weißen Haus losgetreten wurden, führen zu Entwicklungen in unerwartete Richtungen, statt denen zu dienen, die sie inszeniert haben. Oft fällt ein solch brutales Vorgehen auf diejenigen zurück, die sie ausgelöst haben und bringt sie in eine neue Situation, an die sie nicht einen Moment lang gedacht haben.“

Financial Times (GB) /

Europas Hebel gegen Moskau ansetzen

Wie Europa die Ukraine im Alleingang wirksam unterstützen kann, erklärt Financial Times:

„Zunächst sollte die militärische Hilfe und Finanzierung durch Europa so schnell wie möglich beschleunigt werden, um die Verhandlungsposition der Ukraine und ihre Fähigkeit zur Abschreckung künftiger russischer Aggressionen zu stärken. ... Die europäischen Regierungen haben wegen der weitreichenden Sanktionen gegen Russland durchaus Einfluss auf Moskau, denn Wladimir Putin will deren Aufhebung erreichen. Der Großteil der eingefrorenen Devisenreserven Russlands in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar liegt in Europa. Obwohl die dortigen politischen Führer bisher davor zurückschreckten, diese Vermögenswerte zu konfiszieren, spricht immer mehr dafür, um die Verteidigung der Ukraine zu finanzieren.“

El País (ES) /

Unrealistische Militarisierung vermeiden

Eine sprunghafte Aufrüstung Europas hält Politologe Ignacio Sánchez-Cuenca in El País für falsch:

„Wie sehr wir Trump auch ablehnen mögen, ist Tatsache, dass sich gerade eine Chance auftut, den Konflikt in der Ukraine endlich zu stoppen. Aus meiner Sicht wäre es ein großer Fehler, wenn sich die EU jetzt auf eine unrealistische Militarisierung einlässt und angesichts der aktuellen US-Regierung und der beispiellosen internationalen Lage versucht, eine militärische Supermacht aufzubauen. Vielmehr sollte das Ziel darin bestehen, die USA davon zu überzeugen, dass die EU in den Verhandlungen gebraucht wird, indem sie sich so stark wie möglich für einen möglichst gerechten Frieden einsetzt und den Wiederaufbau der Ukraine auf jede erdenkliche Weise unterstützt.“

La Repubblica (IT) /

So macht sich die EU obsolet

Geopolitikexperte Lucio Caracciolo fällt in La Repubblica ein hartes Urteil über die EU:

„Die Europäische Union ist hirntot. In der Bewährungsprobe des Krieges hat sie sich als unfähig erwiesen, den Konflikt zu lösen. Während der drei Jahre des Krieges in der Ukraine war sie nicht in der Lage, auch nur den Hauch eines Vorschlags zur Beendigung des Konflikts zu formulieren. Geboren im Schatten der Nato, im Frieden und für den Frieden, als wirtschaftlicher Arm des von den Vereinigten Staaten geförderten euro-atlantischen Systems, hat sie sich nun als obsolet erwiesen. Genau wie die Nato, deren Untergang von Macron mit bemerkenswerter Weitsicht 2019, während Trumps erster Amtszeit, vorausgesehen wurde.“