Indopazifik-Pakt Aukus: Gespaltener Westen?
Das neue Militärbündnis Aukus zwischen den USA, Großbritannien und Australien erhitzt weiter die Gemüter in Politik und Presse. Australien soll demnach unter anderem nuklear betriebene U-Boote aus den USA bekommen. Damit wird jedoch ein Vertrag über französische U-Boote für Australien ausgehebelt. Einige Kommentatoren sehen Partner fahrlässig verprellt, andere loben einen überfälligen Schulterschluss gegen Chinas Einfluss.
Verfehlte Reaktion aus Paris
Observador begrüßt die Gründung des Bündnisses ausdrücklich:
„Das ist eine sehr gute Nachricht für die Verteidiger der liberalen Demokratie. Vor allem nach dem deprimierenden und absolut unnötigen Abzug aus Afghanistan. ... Die großen Demokratien des sogenannten Indopazifiks – Indien, Japan, Südkorea, unter anderen – haben diese Initiative sofort begrüßt. Aukus wird die Allianz der Demokratien im Indopazifik stärken und hoffentlich eine abschreckende Wirkung auf die (gelinde gesagt) gewagte Expansionspolitik der kommunistischen chinesischen Diktatur in der Region haben. ... Aber leider hat die noble französische Demokratie vollkommen absurd reagiert und sogar die eigenen Botschafter aus Australien und den USA nach Paris zurückgerufen.“
Nato in unverantwortlicher Weise übergangen
Die USA müssen die verheerenden Folgen ihres Vorgehens beheben, drängt der französische Diplomat Michel Duclos in Le Monde:
„Wenn die US-Administration wirklich ein Bündnisnetz organisieren will, um Chinas Macht die Stirn zu bieten, hat sie in dieser Affäre absolut unverantwortlich gehandelt, indem sie das Risiko eingegangen ist, einen nicht unwichtigen Verbündeten gegen sich aufzubringen und sich zumindest von einem Teil der Europäer abzuschotten. Zudem hat sie die Nato geschwächt, die vor vollendete Tatsachen gestellt wurde: einen bedeutenden Strategiewechsel gegenüber China, der nicht zu vernachlässigende Risiken birgt, für eine Zunahme der Spannungen zu sorgen, beispielsweise beim Thema Taiwan. Washington muss diesen Schaden nun reparieren.“
Franzosen fühlten sich zu sicher
Die U-Boot-Schlappe hat Frankreich großenteils selbst zu verantworten, meint Der Tagesspiegel:
„Der Anbieter DCNS [seit 2017 Naval Group] hat den Kostenrahmen für die U-Boote weit überzogen und vereinbarte Projektabschnitte nicht fristgerecht geliefert. Australien wollte längst aussteigen. Im April hatte es die Folgevereinbarung nicht unterzeichnet. Die Franzosen setzten zu lange darauf, dass Australien keine Alternative habe. Amerikaner und Briten waren bisher nicht bereit, ihre Geheimnisse des atomaren U-Boot-Antriebs mit Dritten zu teilen. Diese Hürde ist gefallen. Eine Allianz der Demokratien gegen Chinas Imperialansprüche im Indopazifik hat für Joe Biden und Boris Johnson Priorität.“
Deutsche Führung, europäische Sackgasse
Frankreich sollte sich von einer EU-Außenpolitik emanzipieren, die zu stark von Berlin dominiert wird, findet In.gr:
„Nun kommt die Sackgasse des deutschen Europas zum Vorschein, das nicht Westen ist, sondern Mitteleuropa. ... Mit völlig unterschiedlichen, gegensätzlichen Interessen gegenüber dem Westen. Frankreich dagegen ist Westen. Es ist die Stütze des Westens. Es hat den Preis für das neue Bündnis bezahlt und ist zu Recht empört. ... Aber das eigentliche Problem ist nicht dieses oder ein anderes Bündnis. Es ist die Gefangenschaft in einem Europa, das der nationalen Agenda Berlins dient. ... Das deutsche Europa ist Schnee von gestern. Frankreich muss es vergessen. Es sollte sich, was internationalen Politik angeht, von Deutschland abgrenzen. ... So findet Paris zur Rolle, die es verdient.“
Das kommt davon, wenn man keine Farbe bekennt
Warum EU und Nato für die USA komplizierte Partner sind, erörtert Jutarnji list:
„Dass die EU sich heraushalten und gute Beziehungen - vor allem Handelsbeziehungen - zu allen unterhalten soll, ist ein Mantra, das viele auch heute noch in der EU befürworten. Will die EU mit China zusammenarbeiten, ohne sich im Konflikt zwischen China und USA klar auf eine Seite zu schlagen, muss sie bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. Und dieser Preis können neue westliche Partnerschaften sein, die nicht auf die EU zählen. ... Für die Amerikaner ist [Aukus] ein guter Weg, mit treuen Partnern zusammenzuarbeiten und dabei die mühsame Koordination mit Organisationen zu vermeiden, in denen im Konsens entschlossen wird, wie in der Nato oder EU.“
USA tanzen auf zwei West-Hochzeiten
Dass Biden verstärkt auf die Five Eyes setzt - Ausdruck für die Geheimdienst-Zusammenarbeit zwischen Großbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland - kann zur Spaltung des Westens führen, warnt Italiens frühere Vize-Außenministerin Marta Dassù in La Repubblica:
„Das birgt ein Risiko: die Teilung des Westens in eine angelsächsische Sphäre, die China unter Kontrolle halten soll, und eine traditionelle euro-atlantische Sphäre mit der Nato, die auf Russland ausgerichtet ist. Im Grunde handelt es sich um zwei parallele und unterschiedliche Bündnissysteme mit Washington als Dreh- und Angelpunkt. Die Frage ist, wie lange die beiden Fronten des Westens vereint bleiben. Das Weiße Haus muss lernen, mit Allianzen umzugehen; für die Europäer stellt sich die Frage, wie sie auf den relativen Verlust ihrer zentralen Stellung reagieren sollen.“
Die Nummer hätte auch aus Paris kommen können
Dass ausgerechnet Frankreich anderen unpartnerschaftliches Verhalten vorwirft, findet The Daily Telegraph heuchlerisch:
„Eine rücksichtslose Realpolitik ist auch Paris nicht fremd. Die dortigen Entscheidungsträger gehören zu den führenden Verfechtern der Ansicht, dass es in den internationalen Beziehungen darum geht, nationale Interessen zu verteidigen - wenn nötig auf Kosten Verbündeter. 1966 zog sich Charles de Gaulle aus der integrierten militärischen Kommandostruktur der Nato zurück. 1985 versenkten französische Geheimagenten unter François Mitterrand inmitten von Kontroversen über Atomtests im Pazifik das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior. Es ist daher schon dreist, wenn Emmanuel Macron sich darüber beschwert, dass andere Länder ihre eigenen Prioritäten nicht mit seinen abstimmen.“
Vielleicht gab es keine Alternative
Die USA befanden sich in dieser Angelegenheit in einer Zwangslage, wirbt Spotmedia um Verständnis:
„Aukus belastet die Beziehungen zwischen der EU und den USA, wobei es aber angesichts der beschleunigten Militärexpansion Chinas eine Sicherheitslösung für den Westen bietet. ... Nachvollziehbar ist, dass Frankreich böse ist. Einen 50 Milliarden Euro schweren Deal zu verlieren, ist für keine Regierung eine gute Nachricht. Es geht um Investitionen, Steuereinnahmen und Tausende von Arbeitsplätzen in einer teuren High-Tech-Industrie mit intensivem Wettbewerb. Andererseits war der militärische Druck Chinas auf die Position der USA im Pazifik sehr stark und Joe Biden musste eine schnelle Lösung finden, um ihn zu dämpfen.“
Schwerer Kollateralschaden in Frankreich
Tiefe Risse in den transatlantischen Beziehungen erkennt Stefan Brändle, Paris-Korrespondent der Aargauer Zeitung:
„Die amerikanische Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Nato-Mitglied Frankreich wird die Nordatlantikallianz auf eine harte Probe stellen. … Johnson sagte am Donnerstag im britischen Parlament, die Beziehung seines Landes zum transatlantischen Verteidigungsbündnis sei 'unerschütterlich', dasjenige zu Frankreich 'felsenfest'. Allein schon der Umstand, dass sich der Brite zu dieser Klarstellung bemüssigt fühlte, zeigt, wie tief der Graben durch die Nato und Westeuropa geworden ist. Biden scheut sich nicht mehr, Bündnispartner wie Frankreich rücksichtslos zu desavouieren, und Johnson setzt seit dem EU-Austritt voll auf 'Global Britain'.“
Ein blamabler Augenblick
Der Schaden für die transatlantische Allianz ist enorm, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Wie schon in Afghanistan informiert und verhandelt Washington nicht. Das ist keine Lappalie mehr. Die Frage ist also, was mehr zu bewundern ist: Die glasklare Bereitschaft Australiens, sich an der Seite der USA in eine unauflösbare Konfrontation mit China zu begeben - trotz aller nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen; oder die Chuzpe, mit der die USA Frankreich als wichtigen Verbündeten in Europa vor den Kopf stoßen - dies auch noch am Tag der Veröffentlichung einer EU-Pazifik-Strategie, die Brüssels außenpolitische Ambitionen als Sandkastenspielerei entlarvt. Für die EU und nebenbei auch für Deutschland ist dies ein blamabler Augenblick.“
Biden tritt in Trumps Fußstapfen
Dass Biden Frankreich so düpiert, zeigt für Lidové noviny, wie sehr die Trump-Doktrin "America first" weiter Bestand hat:
„Seit der Wahl Bidens heißt es, sein Amerika werde mit der Trumpschen Praxis aufhören. In der Praxis aber verfolgt Biden mehr Linien von Trump als zu erwarten war. Neben der Strenge gegenüber illegaler Einwanderung gehören dazu auch 'America first' und besondere Beziehungen zu Großbritannien. Wäre Trump mit solch einer Initiative herausgerückt, hätten ihn die Progressiven verurteilt. Bei Biden müssen wir auf eine Reaktion noch warten.“
Gefährliches Wettrüsten
Nach dem Scheitern im Krieg gegen den Terror beginnt in der internationalen Politik nun eine noch gefährlichere Ära, befürchtet Naftemporiki:
„Das Abkommen ist ein direkter Angriff auf China und droht die asiatisch-pazifische Region in ein unkontrolliertes Wettrüsten und die Verbreitung von Atomwaffen hineinzuziehen. … Großbritannien, das sich nach dem Brexit neu orientieren will, verstärkt wieder seine militärische Präsenz in Asien, aus dem es sich vor 50 Jahren durch den Abbau seiner Stützpunkte in Südostasien und am Persischen Golf zurückgezogen hatte. … Mit dem Rückzug der Amerikaner aus Afghanistan scheint die Phase des 'Kriegs gegen den Terrorismus' abgeschlossen. Aber es beginnt eine noch gefährlichere Phase: die des Konkurrenzkampfs zwischen den Großmächten.“
Auf was sich Australien da einlässt
Auch Le Figaro findet die Entwicklung besorgniserregend:
„Einem Land, das sich davon bislang vorsichtig auf Distanz gehalten hatte, wird (wenn auch nicht im engeren Sinn militärisch) Nukleartechnologie zur Verfügung gestellt. Das ändert die Spielregeln. Es setzt die Indo-Pazifik-Region einer gefährlichen Aufrüstung aus. Canberra, wahrscheinlich gedrängt durch Chinas Aggressivität, beteiligt sich am Kräftemessen zwischen China und den USA auf die Gefahr hin, im Fall eines offenen Konflikts folgen zu müssen. Die Warnung an China ist klar: Australien wird zu einer amerikanischen Plattform, die bald Langstreckenraketen und Tarnkappenbomber der USA aufnehmen könnte. Wenn nötig, wird das Land nicht lange brauchen, um selbst Atommacht zu werden.“
Eine Botschaft an Putin
Die Dreierallianz der Aukus-Staaten stellt auch den Kreml vor neue Herausforderungen, analysiert Avvenire:
„Mit Aukus senden die USA ein Signal großer politischer und militärischer Stärke und des ungebrochenen Willens, die globale Vormachtstellung zu bewahren und Verbündete zu verteidigen. Russland geben sie zu verstehen: Lohnt es sich wirklich, die Beziehungen zu China wieder zu intensivieren? Ist dies tatsächlich der richtige Weg? Denn Russland befindet sich in einer seltsamen Position. Es lässt sich zwar schwer oder unmöglich ignorieren. Aber es ist auch nicht wirklich in der Lage, mit den USA oder China zu konkurrieren. Und Biden suggeriert Putin mit Aukus, dass es vielleicht vorteilhafter wäre, sich mit den USA und ihren Verbündeten zu arrangieren, als sich mit Xi Jinping zusammenzutun.“