EU-Kommission geht gegen Polen vor
Austausch der Geheimdienstführung, Reform der öffentlich-rechtlichen Medien, Entmachtung des Verfassungsgerichts: Die EU-Kommission reagiert auf den Staatsumbau in Polen und leitet eine Prüfung der Rechtsstaatlichkeit ein. Ist Druck aus Brüssel die richtige Antwort?
Brüssel ist nicht der Feind Warschaus
Gegen die Schritte Brüssels ist nichts einzuwenden, findet die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza:
„Durch den Beitritt zur Gemeinschaft haben wir uns verpflichtet, nicht nur bestimmte wirtschaftliche Regeln zu respektieren, sondern auch demokratische Grundsätze und die Bürgerrechte. … Die EU hat somit das Recht, dagegen zu protestieren, wenn diese Werte nicht beachtet werden. Ihre Befürchtungen mögen zwar übertrieben sein - genauso wie die Ängste derjenigen, die in Polen die Demokratie verteidigen wollen. Doch hat die Regierung jetzt schlichtweg die Verpflichtung, zu beweisen, dass die Bedenken unbegründet sind. ... Die EU ist keine Einrichtung, die Polen gegenüber feindlich eingestellt ist, sondern eine Gemeinschaft, der wir angehören und für die wir alle gemeinsam die Verantwortung tragen.“
EU muss ihre Fundamente verteidigen
In puncto Demokratie und Rechtsstaat muss die EU hart bleiben, fordert angesichts der Kontroverse um Polens aktuelle Entwickelung die liberale Tageszeitung La Libre Belgique:
„Polen, Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik standen lange unter sowjetischem Joch und betrachten die EU als einen Fremdkörper, teils sogar als eine Bedrohung ihrer 'Identität'. Dass solch ein Gefühl zwölf Jahre nach dem EU-Beitritt dieser Länder fortbesteht ist ein Misserfolg für das europäische Projekt. Es wäre jedoch noch gravierender, wenn die Union ihnen nun erlaubt, die demokratischen Kriterien zu missachten, deren Einhaltung eine Grundvoraussetzung für ihre Aufnahme war. So heikel es in politischer Hinsicht sein mag: Die Kommission hat keine andere Wahl, als Warschau mit Nachdruck zurechtzuweisen. Ebenso notwendig ist es, dass sie von den anderen Mitgliedsstaaten unterstützt wird, um Polen klarzumachen, dass Demokratie und Rechtsstaat keine flexiblen Prinzipien sind, die im Namen der Souveränität oder der 'Traditionen' Machtinteressen dienen können.“
Nicht in Polens Angelegenheiten einmischen
Die massive Einflussnahme der neuen polnischen Führung auf den öffentlich-rechtlichen Hörfunk und das Fernsehen ist zweifellos zu verurteilen, aber nicht von außen, warnt die wirtschaftsliberale Hospodářské noviny vor den für den heutigen Mittwoch anberaumten entsprechenden Beratungen der EU-Kommission:
„Die unschöne Situation muss in Polen selbst gelöst werden. Zum einen, weil die hier und dort ins Gespräch gebrachten Sanktionen nicht zustande kämen, hat doch zumindest schon Ungarns Premier Viktor Orbán sein Veto angekündigt. Zum anderen sind sich bereits zahlreiche Politiker klar darüber geworden, dass Sanktionen nur kontraproduktiv wären. Äußerer Druck auf die neue Regierung der PiS würde nur deren Eindruck verstärken, dass sie in eine Ecke gestellt werden soll und sich noch vehementer verteidigen muss. Die Zahnlosigkeit von Sanktionen haben die EU-Staaten schon vor Jahren erlebt, als in Österreich die Ultrarechten um Jörg Haider Teil der Regierung wurden.“