EuGH signalisiert Zustimmung zu EZB-Plänen
Die Europäische Zentralbank darf unter bestimmten Auflagen Staatsanleihen aufkaufen - diese Einschätzung veröffentlichte ein EuGH-Generalanwalt am Mittwoch in einem Gutachten. Damit erhält EZB-Chef Mario Draghi Rückendeckung für die finanzielle Unterstützung der kriselnden Euro-Staaten, freuen sich einige Kommentatoren. Andere fürchten, dass dieses Signal jegliche Reformanstrengungen untergräbt.
Krise schreit nach unkonventionellen Maßnahmen
Für die Europäische Zentralbank und ihren Chef Mario Draghi ist das Gutachter-Urteil zwar noch kein Freibrief, aber ein großer Erfolg, findet die linksliberale Berliner Zeitung, darf doch die EZB nun "so einschreiten, wie es andere Notenbanken auf der Welt auch tun und wie es zu D-Mark-Zeiten auch die Bundesbank getan hat. Die deutschen Kläger werden aller Voraussicht erneut mit dem Versuch scheitern, der EZB Fesseln anzulegen. ... Klar ist, dass Draghi mit seiner lockeren Geldpolitik weit geht. Es sind unkonventionelle Maßnahmen, zu denen er greift. Aber ist die Lage in der Euro-Zone normal, mit einer chronischen Krise, Rekordarbeitslosigkeit und auseinanderdriftenden Volkswirtschaften und Finanzmärkten? Draghis Medizin bringt Nebenwirkungen mit sich. Aber wer nur Nein zu allem sagt, lässt den schwer kranken Patienten ganz ohne Medizin."
EuGH-Gutachten ist wichtige Weichenstellung
Das Gutachten gibt der EZB Rückendeckung für neue, unkonventionelle Maßnahmen, frohlockt die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Das Gutachten des EuGH gemeinsam mit den Daten zur Deflation in Europa machen jeden rechtlichen und wirtschaftlichen Einwand gegen eine unkonventionelle europäische Geldpolitik hinfällig. Auch die sogenannten Falken müssten eigentlich für eine Politik des quantitative easing sein - im Interesse Europas und auch der einzelnen Staaten, Deutschland inbegriffen. ... Denn wenn die Gefahr der Deflation steigt, hat auch der deutsche Falke Grund zur Sorge: Ein Deflationsschub lässt die Reallöhne in die Höhe schnellen. Die Folgen dessen sind kaum kalkulierbar und alles andere als positiv für den Wettbewerb und das Wachstum. Nicht mehr die Notwendigkeit des quantitative easing steht zur Diskussion, sondern nur mehr die Frage nach der Ausgestaltung der Maßnahme."
Kontraproduktiv für Reformkurs in Euro-Zone
Mit dem Gutachten dürfte das letzte Hindernis für den massenhaften Kauf von Staatsanleihen durch die EZB gefallen sein, glaubt die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung und zeigt sich besorgt, führt doch "der Kauf staatlicher Anleihen (oder nur schon dessen Ankündigung) … zu einer Reduktion der Risikoprämien. Die Staaten können sich in der Folge kostengünstiger verschulden, was der Reformbereitschaft der jeweiligen Regierungen zumeist wenig förderlich ist. Ob es in der Tat die Aufgabe einer Währungsbehörde sein soll, die Finanzierungskosten bestimmter Staaten gezielt zu senken und diese gegenüber den Sanktionen des freien Kapitalmarkts quasi zu immunisieren, ist zumindest fraglich. Das deutsche Bundesverfassungsgericht kommt bei diesem Punkt zu einer etwas kritischeren Einschätzung. So mutet es irritierend an, wenn eine Zentralbank durch den selektiven Aufkauf einzelner Staatspapiere eine Politik betreiben darf, die zwischen verschiedenen Mitgliedern der Währungsunion diskriminiert."