Athens Reformpläne auf dem Prüfstand
Experten der EU-Kommission, der EZB und des IWF bewerten am heutigen Dienstag die Reformliste der griechischen Regierung. Am Nachmittag wollen die Euro-Finanzminister entscheiden, ob sie weitere Hilfszahlungen zusagen. Doch bei der Umsetzung der Reformen steckt der Teufel im Detail, warnen Kommentatoren und glauben, dass Griechenland nach dem Kompromiss mit seinen Geldgebern schlechter dasteht als zuvor.
Gläubiger brauchen Zahlen und keine Theorie
Mit der Vorlage der geforderten Reformliste in Brüssel hat der Kampf für Griechenland erst begonnen, meint die konservative Wirtschaftszeitung Naftemporiki: "Der Waffenstillstand ist beendet und die Regierung betritt heute wieder das 'Schlachtfeld'. ... Dass so gut wie sicher ist, dass die Liste mit den Reformen akzeptiert wird, bedeutet noch gar nichts. Denn der schwierige Teil kommt erst noch! Die Institutionen, also EU, IWF und EZB, wollen keine Theorie, sondern Zahlen. Sie wollen Maßnahmen sehen. ... Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie keine neue Sparmaßnahmen fordern und das gesamte Paket der humanitären Hilfe akzeptieren, werden sie eine detaillierte Kostenkalkulation dazu sehen wollen, wie man die 'schwarzen Löcher' füllen kann."
Um Griechenland steht es schlechter als zuvor
Nach der vorläufigen Einigung mit der Eurogruppe ist das Dilemma Athens noch größer als zuvor, analysiert die wirtschaftsliberale Tageszeitung Diário Económico: "Die Konfrontationen der letzten Wochen haben Griechenland und dem Euro geschadet - allein wozu? Syriza wurde gezwungen, ihr Wahl- und Regierungsprogramm zu verwerfen, in die Arme der Troika zurückzukehren und muss nun liefern. ... Kurz gesagt: Alles ist wie zuvor. Abgesehen davon, dass die Renditen dreijähriger griechischer Anleihen um 20 Prozent gestiegen sind, die Griechen immer mehr Geld von ihren Konten abheben, die Banken sich am Rande des Bankrotts befinden und ausländische Investoren so schnell nicht zurückkehren werden. Und mehr noch: Syriza hat so hohe Erwartungen geschürt, dass das Selbstwertgefühl der Griechen - auch der radikalsten und militantesten - den Boden erreicht hat. ... Syriza hat viel versprochen, wird aber nur wenig liefern. Die Realität ist eben stärker als die Fantasie."
Hut ab vor den rebellischen Griechen
Das Tauziehen der neuen griechischen Regierung mit den EU-Partnern zeigt, dass Syriza zumindest kämpft, um seine Ziele zu erreichen, meint anerkennend die linksliberale Tageszeitung The Irish Times: "Nach Jahren des hilflosen Herumtreibens bietet Griechenland nun einen interessanten Testfall. Die rebellische Neigung, die die Griechen derzeit an den Tag legen, hat etwas äußerst Anziehendes an sich. Ein Rebell, ein Außenseiter und ein Comeback - das ist etwas, was jeder mag und Griechenland steht nun für zwei dieser drei Charakteristika. ... Wenigstens drängt Syriza auf etwas. Es hat etwas sehr Anziehendes, ein Land der Euro-Zone dabei zu beobachten, wie es versucht, seine Eigenständigkeit zu erlangen. Das gilt ganz besonders aus einer irischen Perspektive, haben wir doch die Lenkung und Leitung unserer eigenen Angelegenheiten ausgelagert."
Eurokrise ist Kampf zwischen Arm und Reich
Die Konfliktlinie in der Eurokrise verläuft nicht, wie man meinen mag, zwischen verschiedenen Nationen, sondern zwischen gesellschaftlichen Gruppen, meint die liberale Wirtschaftszeitung La Tribune: "Es gibt nur eine einzige Frontlinie, die zählt und die klar identifiziert werden muss, damit man sie bestmöglich bekämpfen kann: Es ist die Linie, die die Wirtschaftswelt und die Finanzelite, die vor, während und nach der Krise umfassend profitiert hat, trennt von der Masse der Angestellten und der Arbeiter der Mittelklasse - und zwar egal, ob es sich um die deutsche, französische, griechische oder die eines anderen Landes handelt. ... Anders gesagt: Der unbarmherzige Krieg in Europa tobt zwischen wirtschaftlichen Gruppen und Kasten - und nicht zwischen europäischen Nationalitäten. Sich dessen bewusst zu werden, heißt bereits, Lösungen wahrzunehmen und der extremen Rechten Einhalt zu gebieten."