Trauer nach Anschlag in Tunesien
In Tunis sind bei einem Anschlag auf das Nationalmuseum 21 Menschen gestorben. Tunesiens Präsident Béji Caïd Essebsi sagte nach dem Angriff, sein Land werde "bis zum letzten Atemzug" gegen Terroristen kämpfen. Einige Kommentatoren sehen den demokratischen Hoffnungsträger der arabischen Welt in seinem Herz getroffen. Andere glauben, dass die Grausamkeit der Dschihadisten die säkularen Kräfte stärken wird.
Tunesien im Herz getroffen
Den Ort des Anschlags haben die Dschihadisten bewusst gewählt, weil er symbolisch ist für die florierende Demokratie und Wirtschaft Tunesiens, analysiert die linksliberale Tageszeitung Libération: "Dieses Land ist das einzige in der sogenannten arabischen Welt, das weder darunter leidet, dass allein die Armee darüber entscheidet, wer Präsident wird und wer Bettler, noch den Fluch trägt, seinen Reichtum den Ölvorkommen zu verdanken. Nur dort wird wirklich ein Präsident gewählt. Man nennt dies Demokratie und Tunesien ist das einzige vielversprechende Beispiel für eine Demokratie in einer gefangenen 'arabischen' Welt. Die Dschihadisten haben das Land ins Herz getroffen: Das war ein Anschlag auf einen Hort der Kultur (in einem Museum, wie sie der Islamische Staat mit Hämmern zerstört), er hat Touristen getötet (der Tourismus ist eine wichtige Einkommensquelle) und er wurde direkt neben einem Parlament (als Ort der zerbrechlichen Demokratie) verübt, das wirkungsvolle Antiterror-Gesetze verabschieden wollte. Wir haben verstanden, dass der Terrorakt auf Wirtschaft, Demokratie und die gesamte Nation zielt."
Urlaubsland zwischen Demokratie und Dschihad
Der Anschlag in Tunis wird vor allem Auswirkungen auf den Tourismus haben, meint die liberale Tageszeitung Le Soir: "Er erschüttert den relativen Optimismus, den man für die Zukunft dieses Landes und seiner Einwohner hegen konnte. Es erinnert daran, dass Tunesien zwar einerseits das demokratischste Land der arabischen Welt ist, andererseits aber auch das Land, aus dem sich die meisten Dschihadisten dem finsteren 'Islamischen Staat' in Syrien und im Irak anschließen. Nach Angaben offizieller tunesischer Quellen sind rund 500 von ihnen aus dem Nahen Osten zurückgekehrt. Demokratie und Dschihadismus in einem Land. Ein unglaubliches Paradox. Diese neue Prüfung wird schwer zu bestehen sein. Die Touristen werden wahrscheinlich ausbleiben. Sie sind eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Mehr als je zuvor brauchen Tunesien und die Tunesier unsere Solidarität."
Arabischer Frühling endgültig gescheitert
In Tunis ist mit den Opfern des Anschlags der Arabische Frühling gestorben, zeigt sich der Tages-Anzeiger entsetzt: "Für das Land und seine Menschen ist die Schiesserei vor dem Parlament und die Geiselnahme im Museum von Tunis eine kaum abzuschätzende Katastrophe. Die tunesische Regierung wird das Terrorproblem nicht von heute auf morgen in den Griff bekommen - während die internationale Tourismusbranche sofort reagieren wird. ... Jeder kann jetzt erkennen, dass der sogenannte Arabische Frühling gescheitert ist und die Region auf Jahre hin sehr instabil bleiben wird. Die Länder dort eignen sich damit ohne klare Risikoabschätzung weder als Reiseziel noch als politische Partner oder Investitionsstandorte. Die 2011 erhoffte Demokratisierung in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas, die sich 2011 als reale Möglichkeit abzuzeichnen schien, wird in absehbarer Zeit ganz sicher nicht stattfinden."
Terror stärkt säkulare Kräfte im Land
Mit Anschlägen wie jenem in Tunis verspielen Islamisten jeglichen Rückhalt in der lokalen Bevölkerung und stärken somit letztendlich die säkularen Kräfte, analysiert die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph: "Das Töten von 19 unschuldigen Menschen erfüllt für die IS-Milizen vielleicht den Zweck, den Tourismus aus Tunesien fortzutreiben. Doch derartige Morde scheinen alle Teile der tunesischen Gesellschaft abzustoßen. Sie könnten durchaus die starken säkularen Kräfte stützen, die bei den Wahlen im vergangenen Jahr an die Macht kamen. Der jetzige Regierungschef war Innenminister unter dem alten, 2011 von der Macht verdrängten Regime. Damals mangelte es der Regierung an öffentlicher Unterstützung für ihr hartes Vorgehen gegen islamistische Gruppierungen. Nun wirkt es so, als würden die IS-Milizen eine öffentliche Gegenreaktion gegen radikale Islamisten hervorrufen."