Tsipras droht mit Rücktritt
Premier Alexis Tsipras hat seinen Rücktritt angedeutet, sollten die Griechen am Sonntag für die Sparauflagen der Gläubiger stimmen. Indes sprachen sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen ein neues Angebot der Geldgeber aus. Beide Seiten müssen zurück an den Verhandlungstisch, um einen Grexit zu verhindern, mahnen einige Kommentatoren. Andere plädieren dafür, den Euro gleich ganz abzuschaffen.
Brüssel und Athen sollen Machtspiele beenden
Ein Grexit hätte Auswirkungen auf ganz Europa, warnt die linksliberale Tageszeitung Efimerida ton Syntakton und appelliert an Athen und die EU, ihre Machtspiele aufzugeben: "Die Angst und die Spaltung stellen in diesen Stunden die größten Gefahren dar. ... Vielleicht ist es eine historische Chance für die Griechen mit ihrer langen Geschichte, wenn sie stellvertretend den Kampf gegen die Sparpolitik und gegen die dominierenden Kräfte ausfechten, mit dem sich die Mehrheit der europäischen Völker identifiziert. Die Verluste der Aktienmärkte bei ihrer Öffnung am Montag haben jedoch gezeigt, dass ein Grexit nicht nur Griechenland angeht, sondern alle. Er wird nicht einfach sein, weder für uns noch für unsere EU-Partner. Alle sollten nun von Machtspielen absehen und ihre Verantwortung übernehmen: Wir haben es nicht verdient, das Land gegen die Wand zu fahren. Und wir müssen zusammenhalten."
Euroaustritt unausweichlich
Der Austritt aus der Währungsunion könnte Griechenland langfristig helfen, meint die liberale Tageszeitung Keskisuomalainen, auch wenn die Bürger erstmal darunter leiden würden: "Falls die Finanzierung [durch die Gläubiger] nach einem Nein-Votum im Referendum am Sonntag endet, ist Athen auf sich selbst gestellt. ... Wahrscheinlich wird Griechenland auf die eine oder andere Art die Eurozone verlassen. Eine eigene Währung würde eine Abwertung ermöglichen und auf diese Weise könnte das Land langsam wieder wettbewerbsfähig werden. In der Praxis würde eine eigene Währung die schnelle Verarmung der Bürger zur Folge haben. Denn jetzt sind die in Euro gezahlten Löhne der Griechen im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes zu hoch und außerdem sind die Steuern zu niedrig."
Grexit wäre Fingerzeig für Rumänien
Vor 20 Jahren galt Griechenland für viele in Rumänien als Entwicklungsmodell. Wenn es nun tatsächlich aus der Eurozone fliegt, wäre das eine bittere Lektion für Rumänien, kommentiert die Wirtschaftszeitung Ziarul Financiar: "Sollte Griechenland die Eurozone verlassen, wird dadurch das Modell der Entwicklung in armen Ländern durch europäische Fördermittel in Frage gestellt. … Der Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone wäre der Tatsachenbeweis, dass ein Land sich unmöglich in erster Linie durch Kredite anderer Staaten oder privater Geldgeber entwickeln kann. Sollte diese Katastrophe eintreffen, müssen wir uns abschminken, dass Rumänien jemals der Eurozone beitritt. Wenn in den Taschen der Griechen die Drachme den Euro ersetzt, muss Rumänien am darauffolgenden Tag tief Luft holen und begreifen, dass es nur auf die eigene Kraft und sich selbst zählen kann."
Außenansicht: Rückkehr zur Drachme ist keine Option
Die Gläubiger dürfen jetzt nicht gegenüber Athen einknicken, mahnt die wirtschaftsliberale Tageszeitung The Wall Street Journal und erinnert die Tsipras-Regierung an die Auswirkungen eines Euroaustritts: "Optimisten behaupten, dass eine Rückkehr zur billigeren Drachme gut für den Tourismus wäre. Sie brächte jedoch einen großen Rückgang des Lebensstandards mit sich. Griechen mit Schulden in Euro, die plötzlich Drachmen verdienen würden, wären am Ende. Eine weitere schwere Rezession wäre unvermeidbar. ... Den Forderungen Syrizas nachzugeben, könnte zu einer politischen Ansteckung in Spanien, Portugal und anderen Staaten führen, die glauben, dass sie ebenfalls Reformen vermeiden und dennoch gerettet werden können. Eine Begnadigung in letzter Minute ist möglich, aber nur dann, wenn die Griechen nicht Selbstmord begehen, indem sie die wirtschaftlichen Realitäten ignorieren."
Europa bricht nicht zusammen
Die Athener Regierung ist vollkommen unberechenbar, schimpft die konservative Tageszeitung Lidové noviny, doch letztlich gefährdet sie den Euro und die EU mit ihrem Verhalten nicht: "Was in den Köpfen einer radikal linken Regierung vorgeht, ist schwer vorherzusagen. Womöglich sind die neuen Drachmen schon gedruckt. Vielleicht tritt Tsipras morgen oder übermorgen vor sein Volk und ruft eine neue Ära des Fortschritts und der sozialen Sicherheit aus. Vielleicht aber auch nicht. ... Was folgt dem? Gehen nun der Euro oder sogar die EU zugrunde? Wird das griechische Beispiel anstecken? ... Nein, es wird keine Ansteckung geben. Italiener, Spanier, Portugiesen und andere Risikokandidaten sind vom griechischen Beispiel ausreichend abgeschreckt und werden ihm nicht folgen. Dem Zusammenbruch Griechenlands wird letztendlich nichts folgen, was Auswirkungen auf den ganzen Kontinent hat. Auch nicht, wenn das Land eine neue Währung einführt."
Währungsunion hat ausgedient
Europa muss die Währungsunion als Ganzes abschaffen - dies ist für die Basler Ökonomen Lukas Hohl und Rolf Weder in der liberal-konservativen Neuen Zürcher Zeitung die einzig richtige Konsequenz aus dem drohenden Grexit: "Der US-Ökonom Paul Krugman klingt zynisch, wenn er schreibt, dass 'das reale Risiko für den Euro' darin bestehe, dass sich Griechenland ein oder zwei Jahre nach dem Austritt wirtschaftlich erhole und das griechische Beispiel in der Folge Schule machen würde. Daraus abzuleiten, dass man Griechenland deshalb heute besser mit allen Mitteln in der Währungsunion behält, erachten wir als problematisch. Wenn man der Meinung ist, dass die Währungsunion das Entwicklungspotenzial von Ländern wie Griechenland beschränkt, müsste man den Grexit und die längerfristige Auflösung beziehungsweise Redimensionierung der EWU unterstützen. ... Wenn der Euro sowohl der EU wie auch Europa einen Bärendienst erweist, muss darüber nachgedacht werden, wie er abzuschaffen ist."