Athen zahlt IWF-Rate nicht
Griechenland hat die Ende Juni fällige Schuldenrate von 1,55 Milliarden Euro an den IWF nicht gezahlt. Zuvor hatten die Euro-Finanzminister einen Antrag Athens auf Verlängerung des Hilfsprogramms um wenige Tage abgelehnt. Dass sie das Land in die Zahlungsunfähigkeit getrieben hat, ist ein unentschuldbarer Fehler der Währungsunion, meinen einige Kommentatoren. Andere fordern ein Ende der Rücksichtnahme auf das überschuldete Land.
Eurozone begeht unglaublichen Fehler
Dass sie Griechenland in eine Situation manövriert hat, in der es eine Schuldenrate an den IWF nicht mehr zahlen kann, war ein enormer Fehler der Währungsgemeinschaft, klagt die liberale Tageszeitung De Standaard: "Es ist eine beschämende Niederlage für alle betroffenen Führer, dass ein Mitglied der Eurozone zum Verstoß gegen seine Zahlungsverpflichtungen getrieben wurde. Der Euro ist kein Marktinstrument, das nur dem Gesetz von Angebot und Nachfrage gehorcht. Er ist der konkrete Ausdruck des Willens von hunderten Millionen Europäern, ihr Schicksal miteinander zu verbinden. Die Art und Weise, wie mit diesem Willen in den letzten Monaten gespielt wurde, greift die Glaubwürdigkeit des gesamten europäischen Projekts an. ... Diese Schande ist nicht wiedergutzumachen. Egal ob es am Sonntag nun ein Referendum gibt und wie die Griechen sich dann entscheiden, mit diesem unglaublichen Fehler muss Europa von nun an leben."
Athen kann Teufelskreis durchbrechen
Die Ablehnung immer weiterer Sparauflagen ist der einzig sinnvolle Weg aus der griechischen Krise, meint die Ökonomin Mariana Mazzucato in der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica: "Wie Griechenlands Finanzminister Varoufakis immer wieder betont, hat Griechenland keine Liquiditätskrise, sondern leidet an einer Krise der Zahlungsfähigkeit, die ihrerseits durch eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit ausgelöst und durch die Finanzkrise noch erschwert wurde. Eine Krise dieser Art kann nicht mittels mehr und mehr Sparauflagen überwunden werden, sondern nur dank einer ernsthaften Investitionsstrategie, die von wahren, nicht Pro-Forma-Reformen begleitet werden muss, um den Wettbewerb wieder anzukurbeln. Im falschen Glauben, es handle sich nur um eine Liquiditätskrise, hat man sich zu sehr auf die Fristen der Schuldenrückzahlung und auf die Erstellung erdrückender Sparbedingungen für neue Hilfspakete konzentriert, die jedoch ohne Wachstum und Wettbewerb niemals zurückbezahlt werden können. Ein Teufelskreis."
Griechen müssen mit Nein stimmen
Griechenlands Oppositionsführer und ehemaliger Premier Antonis Samaras hat das Referendum am Sonntag als eine Abstimmung über den Verbleib in der EU bezeichnet - und nicht als Volksbefragung zu den Sparauflagen der Gläubiger. Doch nur wenn die Griechen mit Nein stimmen, können sie in der Union bleiben, meint Blogger Pitsirikos: "Wenn alle Griechen mit Nein stimmen würden, wäre die Position Griechenlands in der Europäischen Union gesichert. Eine Zustimmung zu den Vorlagen wird früher oder später zu einem Austritt aus der EU führen. Nur ein Nein werden die EU-Führer ernst nehmen. Außerdem werden noch andere europäische Völker folgen, die jetzt genau beobachten [was in Griechenland passiert]. Ein Ja wäre die Fortsetzung der Politik von explodierenden Staatsschulden, Verarmung, Auswanderung und all den anderen Übeln, die die Sparpolitik gebracht hat. Das Ja gilt als Unterordnung. Und ist das Ende."
Die Mär von der irischen Erfolgsgeschichte
In der Diskussion um Austeritätspolitik wird Irland von vielen als Erfolgsgeschichte unter den EU-Krisenstaaten bezeichnet. Doch das entspricht nicht der Realität, kritisiert die linksliberale Tageszeitung The Irish Times: "Die Geschichte von Irland als 'Stolz Europas' ist eine frei erfundene mit dem klaren Ziel, die Realität zu ersetzen. Es ist keine für sich allein stehende Erzählung. Sie hat einen bösen Zwilling: Griechenland. Sie gehört einem bestimmten Genre der Literatur an: der Geschichte mit einer moralischen Botschaft. Irland ist der Stolz Europas, weil es die Anti-These zu Griechenland ist. Wir sind gut, weil wir unsere Rolle in den größeren Erzählungen der Krise der Eurozone spielen. Griechenland ist böse, weil es das nicht mehr tut. ... Wir existieren nicht als Gesellschaft, sondern als notwendige Bestätigung für eine zerstörerische Fiktion."
Europa darf Sorgenkinder nicht mehr durchfüttern
Europa sollte sich nicht weiter mit seinen Sorgenkindern aufhalten, sondern selbstbewusst nach wirtschaftlicher Exzellenz streben, findet die konservative Tageszeitung Die Welt: "Anstatt defensiv und schuldbewusst den volkswirtschaftlichen Erfolg zu verteidigen, sollte die EU noch deutlicher machen, dass die (zumeist) luxuriösen Lebensbedingungen Europas Tag für Tag hart erkämpft werden müssen im globalen Wettkampf. Europa hat sich jahrelang mit der Pflege und Verköstigung von Sorgenkindern aufgehalten, anstatt Europa als Hochlohnregion und Kulturlandschaft der Exzellenz weiterzuentwickeln. … Europa ist eine kulturelle und ökonomische Erfolgsgeschichte. Die Mehrheit der Europäer stellt Ehrgeiz vor Umverteilung. Deswegen ist die Vertiefung Europas nur möglich, wenn es eine Assoziation souveräner Staaten ist - auch und insbesondere ökonomisch. Merkel muss jetzt tun, was ihr nicht liegt: aufhören zu moderieren und ins Risiko gehen. Sie muss sich an die Spitze des Fortschritts stellen. Mit Gleichgesinnten für ein Europa der Exzellenz."