Griechen sagen Nein zu Sparauflagen
Die griechischen Wähler haben sich im Referendum am Sonntag klar gegen die Sparauflagen der Gläubiger ausgesprochen. Einige Kommentatoren glauben, dass der Grexit nun fällig und nicht die schlechteste Lösung ist. Andere setzen nach wie vor auf eine Einigung und plädieren für einen Marshall-Plan und eine Schuldenkonferenz als alternative Lösungen im Schuldenstreit.
Jetzt ist der Grexit fällig
Das griechische Volk hat sich entschieden, seinen eigenen Weg zu gehen, meint die Neue Zürcher Zeitung und fordert von den Griechen, dies nun auch konsequent zu tun: "Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion kann nicht erzwungen werden, ist aber die logische Konsequenz aus dem Volksnein. Die Syriza-Truppe soll ohne den 'reichen Onkel' aus Brüssel ihre Wege suchen müssen, um Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Auch die Griechen dürften dabei früher oder später erkennen, dass nichts daran vorbeiführt, wirtschaftlich wettbewerbsfähiger zu werden. Mit einem Grexit wird dies eher zu bewerkstelligen sein. Regionalpolitische und humanitäre Hilfen für das EU-Mitgliedsland mögen dazu beitragen, dass es nicht im Chaos versinkt. Aber Athen muss jetzt seinen eigenen, schwierigen Weg gehen - je konsequenter, desto besser. Europa wird das nicht schaden."
Griechenland braucht Marshall-Plan und Reformen
Nach dem Nein der Griechen besteht nun Handlungsbedarf auf beiden Seiten, meint die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die griechische Regierung [muss] ihren Plan vorlegen, wie sie die Zukunft des Landes aktiv gestalten will. Wer etwas von anderen will, muss sich dann auch an Vereinbarungen halten. Reformen sind in vielen Bereichen notwendig. Nur Nein zu sagen reicht nicht - weder in Brüssel noch in Athen. Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors hat einen Drei-Punkte-Plan vorgeschlagen: kurzfristige Geldmittel zur Herstellung der finanziellen Liquidität, die griechischen Schulden sollten einer Neubewertung unterzogen werden und alle EU-Fonds und -Fördermöglichkeiten sollten angezapft werden, um die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands voranzutreiben. Das ist eine Art Marshallplan, der Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau ermöglichte. Auch Griechenland braucht einen Neuanfang, das Referendum weist den Weg."
Der Zukunft zuliebe eine Schuldenkonferenz
Um zu verhindern, dass Europas Völker nach dem griechischen Referendum noch stärker gegeneinander aufgehetzt werden, braucht es eine europäische Zukunftskonferenz, so das Plädoyer der liberalen Tageszeitung Le Soir: "Ideal wäre es, wenn ein Ausweg aus der Konfrontation zwischen Griechenland und Europa gefunden würde, die gleichzeitig eine Lösung für die Gesamtheit und nicht nur für den Einzelfall darstellt. Warum nicht durch die Organisation einer Schuldenkonferenz der Eurozone wie [Wirtschaftswissenschaftler Thomas] Piketty und andere in Anlehnung an die Nachkriegszeit vorgeschlagen haben? 'Eine Korrektur zugunsten der jungen Generationen', jedoch nicht nur der in Griechenland, sondern der in ganz Europa. Positiv an der Idee ist vor allem, dass sie darauf abzielt, die Beziehungen zwischen den europäischen Völkern neu und wieder auf eine solidarische Art und Weise zu regeln."
Regierung Tsipras hat unklug verhandelt
Das Nein zu den EU-Sparforderungen bringt den Griechen gar nichts, glaubt die liberale Boulevardzeitung Expressen und gibt der Regierung Tsipras die Schuld an den gescheiterten Verhandlungen mit den Geldgebern: "Die Griechen hatten keine Macht - auch wenn sie das glaubten. Deshalb haben sie mit Nein gestimmt und das gestern gefeiert - sie feierten ihren lang verloren geglaubten Stolz. Das Problem ist nur, dass all das nichts mit der Realität zu tun hat. ... Die griechische Regierung hat ihr Volk betrogen, das doch allem Anschein nach weitere Euro-Kredite, aber zu besseren Bedingungen, haben wollte. Es wäre ein Weg nach vorn denkbar gewesen, wenn es Vertrauen in Griechenland gegeben hätte. Aber die Regierung Tsipras machte die Hoffnung zunichte, dass das Land sich verändern werde. ... Sie hat die Beziehungen zu den Kreditgebern in ein destruktives Spiel verwandelt, in dem Reformen nur ein Baustein waren, um mehr Geld zu bekommen."
Das Projekt Euro ist schwer beschädigt
Selbst die einst vehementesten Befürworter der Einheitswährung müssen mittlerweile eingestehen, dass diese Europa in riesige Probleme gestürzt hat, analysiert die konservative Tageszeitung The Times: "Das Projekt Euro, eine Vision politischer und wirtschaftlicher Harmonie, die durch den gemeinsamen Gebrauch einer einheitlichen Währung verwirklicht wird, ist schwer beschädigt. Jene neuen Mitglieder der EU, die sich einst bereitwillig dazu verpflichteten, in der Zukunft den Euro einzuführen, suchen mittlerweile nach Möglichkeiten, ihre eigene Währung behalten zu können. Jene Idealisten, die die Einheitswährung lauthals als Mittel zur Integration der grundverschiedenen Volkswirtschaften Europas verkündeten und diesen damit neue kollektive Stärke verleihen wollten, reden ihre Hoffnungen nun verlegen klein und gestehen Schwierigkeiten ein."
EU steht Demokratietest bevor
Künftig wird die Regierung von Alexis Tsipras den Gläubigern gegenüber anders auftreten, zeigt sich die linskliberale Tageszeitung Delo nach dem Referendum überzeugt: "Mit der Volksabstimmung hat Tsipras' Regierung nach den Wahlen im Januar und der Ablehnung ihrer Vorschläge durch die Gläubiger über sechs Monate hinweg ihren riskantesten und politisch irrationalen Schritt gewagt. Das Oxi, das Nein, verleiht ihr nun das Mandat für eine härtere Gangart. Es ist allerdings kein Mandat für den Austritt aus der Eurozone oder gar aus der EU. Diese Möglichkeit stand nie zur Debatte. Jetzt sind die europäischen Beamten und die führenden Finanzexperten am Zug. Die haben die demokratisch gewählten griechischen Politiker bislang nicht ernst genommen. Die Art und Weise, wie sie nun auf das klare Nein der griechischen Bevölkerung reagieren werden, wird zeigen, wie demokratisch die EU in Wirklichkeit ist."