Anti-Terror-Razzien in Molenbeek
Spezialkräfte haben bei Großeinsätzen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek mehrere Verdächtige festgenommen. Eine Spur der Attentäter von Paris führt in das Viertel, das als Zentrum von Islamisten gilt. Einige Kommentatoren drängen auf ein hartes Vorgehen gegen jene Milieus, die junge Menschen in Mordmaschinen verwandeln. Andere fordern von Muslimen, sich stärker von radikalen Ideologien zu distanzieren.
Schuldzuweisungen in Belgien sind sinnlos
Die Spuren der Attentäter von Paris führen in das Brüsseler Viertel Molenbeek. In Belgien gibt es nun Streit, wer für den Niedergang des Stadtteils und damit die Radikalisierung der vorwiegend muslimischen Jugend verantwortlich ist. Es bringt jetzt nichts Schwarzer Peter zu spielen, warnt die liberale Tageszeitung De Standaard: "Die schockierte Gesellschaft hat nichts von diesem traurigen Schauspiel. ... Wenn wir nicht wissen, wie entscheidend die politischen Fehler in Molenbeek oder an höherer Stelle waren, können wir auch nicht sicher sein, dass die Aktionen gegen Radikalismus anderswo erfolgreich sind, um weitere Anschläge zu verhindern. ... Die beunruhigte Bevölkerung versteht, dass niemand absolute Sicherheitsgarantien geben kann. Doch sie erwartet, dass jeder Verantwortliche jetzt die richtigen Schlussfolgerungen zieht. Wir sind nicht machtlos gegen diesen Feind. Aber wir können uns keinen internen Streit erlauben."
Terrorbekämpfung beginnt in den Ghettos
Die Bekämpfung des Terrors kann nur gemeinsam mit den Muslimen gelingen, betont die linksliberale Zeitung Politiken: "Wenn man dem islamistischen Terror den Kampf ansagen will, muss man jahrzehntelanger falscher Wohnungs- und Integrationspolitik den Kampf ansagen, von Mjølnerparken [in Kopenhagen] bis Molenbeek [in Brüssel]. Dies ist freilich eine langwierige Aufgabe. ... Hier und jetzt müssen wir hart gegen jene Milieus vorgehen, die verletzliche junge Muslime und Konvertiten in islamistische Mordmaschinen verwandeln. Ein wesentlicher Teil dieses Bemühens muss es sein, mit den Moscheen und lokalen muslimischen Vereinigungen zusammenzuarbeiten. Sie können muslimische Gegenentwürfe zu dem rabiaten Weltbild bieten, das in lichtscheuen Versammlungen und sektiererischen Räumen im Internet gepredigt wird. Man muss sich darüber klar werden, dass die allermeisten Imame - ebenso wie die allermeisten Muslime - ein klares Interesse daran haben, die rabiaten Dunkelmänner zu bekämpfen."
Nur Integration hilft gegen Radikalisierung
Ghettos in Europa, wie das Brüsseler Viertel Molenbeek, sind ein Nährboden für die Terrormiliz IS, warnt die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant und fordert sowohl von den Regierungen als auch von den muslimischen Gemeinden mehr Anstrengungen zur Integration: "Denjenigen, die Europa nun den Krieg erklärt haben, muss jeder Anschein der Legitimität genommen werden. IS wird nicht mit den Ghettos in Europa verschwinden. Aber Europas Regierungen können mit einer aktiven Integrationspolitik erreichen, dass die Terrorbewegung weniger attraktiv wird für die benachteiligte und sich benachteiligt fühlende Jugend. Dabei dürfen die muslimischen Gemeinschaften in Europa nicht am Rande stehen. ... Es geht darum, dass sie sich wirklich dem friedlichen Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in diesem Teil der Welt verpflichten. Das heißt, dass der demokratische Rechtsstaat über der Solidarität mit den eigenen Reihen steht, die sich bisher im Leugnen oder Gutheißen des Radikalismus äußerte."
Schwedens Muslime schweigen Probleme tot
Nach Belgien ist Schweden das europäische Land, aus dem sich gemessen an der Bevölkerungszahl die meisten Menschen der Terrormiliz IS angeschlossen haben. Doch über dieses Problem wird unter den Muslimen in Schweden nicht offen gesprochen, kritisiert die konservative Tageszeitung Svenska Dagbladet: "Leider waren muslimische Gemeinden bisher zu schlecht darin, den Kampf mit dem radikalen Islam aufzunehmen. Jene, die versucht haben, Probleme zur Sprache zu bringen, wurden als Rassisten oder als islamophob abgestempelt. Man kann sich fragen, warum: Häufig prangern sie eine islamophobe westliche Welt an, die darauf aus sei, den Islam zu bekämpfen - die gleiche Geschichte, die Al Qaida und der IS erzählen. ... Damit muss jetzt Schluss sein. Man befürwortet nicht radikalen Islam, wenn man Muslime vor absurden Anklagen in Schutz nimmt. Und man ist nicht islamophob, wenn man die große Gefahr sieht, die vom radikalen Islamismus ausgeht."
Imame müssen sich von Terror distanzieren
Muslime weltweit haben sich nicht ausreichend gegen Terrorattentate im Namen des Islam positioniert, kritisiert die islamisch-konservative Tageszeitung Zaman: "Leider besitzt die Mehrheit der Priester der islamischen Welt eine Denkweise, durch die sie die Massaker, die zu einem Massensterben führen, nicht verurteilen kann. Ein Teil der Muslime kann den Terror noch immer nicht ohne Wenn und Aber verfluchen. Selbst viele gebildete islamische Gelehrte konnten nicht sagen, dass die Selbstmordkommandos eine unislamische Methode sind. ... Der 11. September war für die islamische Welt ein ernster Test. Doch auf diesen ominösen Terroranschlag auf die beiden Türme, bei dem tausende Menschen starben, konnten oder wollten die Meinungsführer der islamischen Welt nicht ausreichend hart reagieren."