Frankreich verlängert Ausnahmezustand
Die französische Nationalversammlung hat am Donnerstag die Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate beschlossen. Das ermächtigt die Behörden, unter anderem Ausgangssperren zu verhängen und Wohnungen ohne richterlichen Beschluss zu durchsuchen. Für den Anti-Terror-Kampf opfert Frankreich seine Bürgerrechte, kritisieren einige Kommentatoren. Andere fordern die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen in ganz Europa.
Bürgerrechte sind unantastbar
Dass die Rechte der französischen Bürger eingeschränkt werden, um den Anti-Terror-Kampf voranzutreiben, offenbart nach Ansicht des liberalen Onlineportals Contrepoints das Versagen des Staats: "Der Kampf gegen den Terrorismus scheint nun mir nichts dir nichts Vorrang vor den Grundrechten zu erhalten, Sicherheit scheint vor Freiheit zu kommen. Warum schafft man nicht gleich klare Verhältnisse, indem man ein für alle Mal mit dem Gelaber rund um die Menschenrechte aufhört und die Bürgerrechte direkt abschafft, anstatt sie nach jedem Attentat oder Anschlagsversuch zu stutzen? Noch vor der Terrorbekämpfung hat der Staat den Auftrag, die unantastbaren Individualrechte zu sichern: Sicherheit, Eigentum, Freiheit. Sie sind unantastbar, ausnahmslos. Wenn er sie preisgeben muss, um seine Aufgaben zu erfüllen, ist er über sein Ziel hinausgeschossen. ... Schlimmer noch: Es bedeutet, dass er bei der Umsetzung seiner zentralen Aufgaben kläglich gescheitert ist."
Paris opfert Freiheit für Sicherheit
Unter Schock stellt Frankreich Sicherheit über Freiheit, meint der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk und gibt zu bedenken, dass der am Mittwoch getötete mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, trotz umfangreicher Geheimdiensttätigkeit seine Pläne ungehindert verfolgen konnte: "Nach den Attentaten von Charlie Hebdo wurden die Geheimdienste mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Genutzt hat es im Fall Abaaoud wenig. ... Wie weit wir unsere westlichen Strukturen anpassen können, ohne das demokratische Fundament auszuhöhlen, ist fraglich. In Frankreich überwiegen derzeit Wut und Entschlossenheit. Binnen sieben Tagen wurde ein Gesetzespaket geschnürt und verabschiedet, das in friedlicheren Zeiten monatelange, heftige, demokratische Debatten provoziert hätte. Jetzt ging alles ganz schnell und die Bevölkerung steht dahinter. Mehr Freiheit oder mehr Sicherheit, die Frage ist in Frankreich heute beantwortet worden."
Terrorgefahr bitte nicht herunterspielen
Ganz Europa sollte sich dazu durchringen, die Sicherheitsgesetze zu verschärfen, mahnt die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Wer erinnert sich nicht an die heftige Kritik der rechtschaffenen Europäer an George W. Bush, dem freiheitsfeindlichen Präsidenten, Autor des Patriot Act, der am Tag nach den Attentaten des 11. Septembers die individuelle Freiheit im Namen des Schutzes der nationalen Sicherheit einschränkte? Und wer von ihnen hat nicht Edward Snowden als Rächer der missachteten Bürgerrechte gefeiert, als dieser vor zwei Jahren die Methoden des US-Geheimdienstes preisgab? ... Europa mag es nicht, ein finsteres Gesicht zu machen. ... Doch diesen Luxus kann es sich nicht länger leisten, denn das Herunterspielen der Bedrohung durch Terror kommt einer bedingungslosen Kapitulation gleich."