Hollande will Putin als Verbündeten gewinnen
Auf der Suche nach Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz IS besucht Frankreichs Präsident François Hollande am heutigen Donnerstag seinen Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau. Eine Anti-Terror-Allianz zwischen dem Westen und Russland ist unrealistisch, meinen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass die Angst vor Anschlägen beide Seiten zusammenschweißt.
Putin und Hollande eint Angst vor Anschlägen
Genau wie Hollande hat auch Putin Angst vor konkreten Terrorakten, erläutert der linksliberale Tages-Anzeiger die Motive für das Treffen am heutigen Donnerstag: "Der Auszug der nordkaukasischen Kämpfer nach Syrien hat Moskau und dem Nordkaukasus zunächst durchaus Vorteile gebracht. ... Doch nach dem Anschlag auf das russische Passagierflugzeug über dem Sinai und den Attentaten in Paris schwant offenbar auch Putin, dass die Ruhe trügerisch sein dürfte und Russland genauso eine Welle der Gewalt droht wie Europa. In einem neuen Video droht der IS, dass in Russland 'bald, sehr bald' Blut fließen werde. Der Islamische Staat werde Russland den Kaukasus wegnehmen, sagte ein radikaler Imam aus dem sogenannten IS-Regierungsbezirk Dagestan. 'Wir werden euch töten, wir werden euch schlachten, wir werden euch verbrennen.' Die Drohungen haben ... auch viele Russen davon überzeugt, dass der Kreml in Syrien keineswegs nur einen fernen Krieg für Assad führt, sondern ganz direkt die Interessen Russlands verteidigt."
Terror in Paris hat keinen Ruck bewirkt
Bereits vor seinem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin dürfte dem französischen Staatspräsidenten François Hollande klar sein, dass eine internationale Koalition gegen IS außer Reichweite ist, analysiert die linksliberale Tageszeitung Le Monde: "François Hollande sucht eine Annäherung an Moskau - der Rücktritt von Baschar al-Assad ist für ihn keine absolute Bedingung mehr - und versucht gleichzeitig, seine Allianz mit Washington zu stärken. In Washington überwiegt jedoch das Misstrauen gegenüber Wladimir Putin. Die Gespräche zwischen Hollande und Obama haben bestätigt, dass ein globales Bündnis derzeit nicht auf der Tagesordnung steht. Der Kampfjet-Abschuss am Dienstag hat gezeigt, dass jeder weiterhin seinen regionalen Interessen Vorrang einräumt. Vor seinem Abflug nach Moskau kann der französische Präsident bereits ermessen, dass die Attentate von Paris keinen ausreichenden Ruck bewirkt haben, um die Zerrissenheit zu überwinden, die der Syrienkonflikt ausgelöst hat."
Aufbau-Allianz muss auf Anti-Terror-Allianz folgen
Die Schwierigkeit im Kampf gegen die Terrormiliz IS besteht nicht darin, eine militärische Allianz zwischen dem Westen und Russland zu schmieden, glaubt die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Putin ist kein Musterbeispiel für Demokratie. Doch wenn der IS eine Art Nazismus unserer Zeit ist (in Wahrheit weitaus weniger gefährlich), dann muss man sehen, dass die Amerikaner schon mit Stalin einen siegreichen Krieg geführt haben, einem weitaus schwierigeren Russen als Putin. Die wahre Schwierigkeit besteht nicht darin, ein russisch-amerikanisches Abkommen zu erzielen, indem man gegenseitige Interessen mit konkurrierenden Ambitionen vereint. Sondern darin, dass die beiden Länder diese Übereinkunft mit ihren jeweiligen regionalen 'Klienten' finden müssen. Sollten sie dies versäumen und nicht beginnen, einen neuen Nahen Osten aufzubauen, würden sie den gleichen Fehler begehen, den genau vor einhundert Jahren die Engländer und Franzosen begangen, als sie mit realpolitischer Arroganz die Grenzen der sich heute zersetzenden Region festsetzten."