Szydło verteidigt Polens Reformen vor EU
Polens Regierungschefin Beata Szydło hat vor dem EU-Parlament die Reform des Verfassungsgerichts und das neue Mediengesetz verteidigt. Einige Kommentatoren loben den respektvollen Dialog in Straßburg. Andere warnen Polen davor, dem Kurs illiberaler Demokratien zu folgen.
Ohne Kaczyński kein Dialog möglich
Durch institutionelle Debatten auf EU-Ebene kann man Polen schlecht beikommen, da sie den eigentlich Verantwortlichen für die Regierungspolitik nicht einschließen, bemängelt die liberale Tageszeitung Le Soir:
„In Polen ist sowohl Anhängern als auch Gegnern der derzeitigen Regierung bekannt, dass weder Präsident Duda, der am Montag Brüssel besuchte, noch Premierministerin Szydło, die am Dienstag in Straßburg sprach, über die eigentliche Macht verfügen, sondern Jarosław Kaczyński. Ein einfacher Abgeordneter, aber Chef der allmächtigen Partei PiS sowie besessener Autor von Verschwörungstheorien und eines unveröffentlichten politischen Programms, dessen Umsetzung die Polen verblüfft mitansehen. Er leitet keine Kabinettssitzung, unterzeichnet keine Gesetze und nimmt nicht an Gipfeltreffen teil, wo er die anderen europäischen Regierenden treffen könnte. (Mit Ausnahme von Viktor Orbán, der ihn gerade besucht und somit die rechtmäßigen polnischen Machthaber übergangen hat.)“
Demokratisches Highlight in Straßburg
Mit der Aussprache zur möglichen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in Polen hat das Arbeitsjahr des EU-Parlaments mit einem Highlight begonnen, meint die linksliberale Tageszeitung Der Standard:
„Die Debatte im Plenum war ein Beispiel dafür, wie gut Demokratie, Parteienpluralismus und fairer Umgang funktionieren können, wenn sich alle an die Spielregeln halten. ... Beata Szydło … wies alle Vorwürfe zurück, aber in ruhiger Manier, sachlich, zollte ihren Kritikern Respekt und zeigte sich bereit zum Dialog. Die Abgeordneten und die Kommissare taten es ihr gleich. Das schafft nun Raum für eine sachgerechte Aufklärung. Erst dann lässt sich vernünftig beurteilen, ob die Vorwürfe zutreffen. Das Wichtigste: Am Ende muss das Ergebnis gemäß den gemeinsamen Regeln akzeptiert werden. Das ist der Sinn der EU.“
Triumph im EU-Parlament
Szydło hatte einen ausgezeichneten Auftritt vor dem EU-Parlament, findet die nationalkonservative Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie:
„Diese Debatte war zweifelsohne ein Erfolg für die polnische Regierung, die polnische Diplomatie und vor allem ein persönlicher Triumph für die Frau Ministerpräsidentin. Sie ist nach Straßburg gefahren und hat sich vor eine Menge von EU-Abgeordneten präsentiert, die der Regierung und Polen gegenüber sehr negativ eingestellt sind. … Letztlich hat sie ihnen mehr Contra gegeben, als sie erwartet hatten. Sie machten ihr nur Vorwürfe, hatten aber sonst wenig zu sagen. Die Mehrheit sprach von irgendwelchen 'Werten', die angeblich bedroht seien. Doch es war offensichtlich, dass sie selber nicht so ganz wussten, wovon sie eigentlich reden.“
Polen darf Europa nicht spalten
Dass sich im Kräftemessen zwischen Polen und der EU am Ende letztere durchsetzt, hofft die liberale Tageszeitung Irish Examiner:
„Trotz des wachsenden Nationalismus scheint eine zunehmende Integration vorherbestimmt. Wenn sich Polen gegen diese Tendenz wehrt, dann wird es zum Außenseiter werden, überwältigt von ökonomischen Kräften, die es nicht kontrollieren kann, und von Russlands schädigendem Einfluss. Ein neuer Eiserner Vorhang in Europa - dieses Mal zwischen liberalen und illiberalen Demokratien - ist eine düstere Aussicht. Auch wenn Polen keine Regionalmacht ist, so kann das Land doch aufgrund seiner großen und gesunden Wirtschaft sowie seiner strategischen Rolle als Puffer zwischen Russland und Westeuropa Einfluss ausüben. Derzeit stellt die EU Polen auf den Prüfstand und Polen testet wiederum die EU. Polen und auch Europa können aber nur gewinnen, wenn die EU siegt.“