Wie weit rückt Kroatien nach rechts?
Drei Monate nach Amtsantritt zeigen verschiedene Aktionen der neuen kroatischen Regierung, dass diese offenbar eine national-konservative Wende im Land anstrebt. Einige Kommentatoren sind besorgt über den Rechtsruck, andere halten ihn für eine Erfindung der Linken.
Kroatien marschiert in den Faschismus
Die national-konservative Regierung hat begonnen, Kroatien zu einem faschistischen Staat umzubauen, warnt die linke Tageszeitung der serbischen Minderheit Novosti:
„Hier haben wir es mit einem großen und gut geplanten Projekt zu tun, das die grundlegenden Wahrheiten über den zweiten Weltkrieg auf den Kopf stellt. Dieses Unterfangen ist beispiellos im heutigen Europa, selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der historische Revisionismus in vielen Teilen Europas ausbreitet. Aber nirgends wie in Kroatien hat er so dicht und so systematisch die ganze Rechte vereint, von der weltlichen und kirchlichen Macht, über prochristliche NGOs, kulturelle und rechtliche Institutionen bis hin zu den Medien. ... Hier geht es nicht nur darum, dass sie das Bild vom KZ Jasenovac revidieren, das gab es auch bisher. Aber jetzt soll auch das heutige Kroatien umgeformt werden in eine Kopie des [faschistischen] NDH [Unabhängiger Staat Kroatien, 1941-1944, von Hitler eingesetzt] und dabei dem Original möglichst nahe kommen.“
Faschisierung ist ein Phantasma der Linken
Kroatiens jüdische Gemeinden und Verbände der Serben, Roma und Antifaschisten boykottieren die staatliche Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer des KZ Jasenovac. Sie werfen der Regierung vor, nicht gegen die Revitalisierung des Ustascha-Faschismus vorzugehen. Der angebliche Rechtsruck ist nur Propaganda, schimpft hingegen der national-konservative Kommentator Jajčinović Milan der Tageszeitung Večernji list:
„Dass über Kroatien jetzt so hergezogen wird, konnte man schon vor fünf Jahren erahnen. Damals begann, geplant und systematisch, die Verbreitung der allgemeinen Hysterie von der 'Faschisierung Kroatiens'. Gleichzeitig begannen die Anhänger von [Ex-Premier] Zoran Milanović und [Ex-Außenministerin] Vesna Pusić antifaschistische Verbände zu gründen, um der angeblichen Revitalisierung des Faschismus entgegenzutreten. Jetzt ist dieser programmierte ideologische Wahnsinn so eskaliert, dass es zur serbisch-jüdischen Entscheidung gekommen ist, die staatliche Gedenkfeier für die Opfer von Jasenovac zu boykottieren.“
Das Unvorstellbare ist in Kroatien Alltag
Der Koordinationsrat der jüdischen Gemeinden will am 22. April nicht an den Feierlichkeiten zum Gedenken an die Opfer des Konzentrationslager Jasenovac teilnehmen. Er wirft dem Staat vor, nicht gegen die Relativierung und Revitalisierung des Ustascha-Faschismus vorzugehen. Für das liberale Webportal tportal.hr eine alarmierende Entwicklung:
„Stellen Sie sich vor, in Deutschland würde die jüdische Gemeinde nicht an den Gedenkfeiern in Dachau teilnehmen, weil die Bedeutung des Nationalsozialismus im Land relativiert wird. Und Merkel würde dann antworten, dass die Juden übertrieben, der Parlamentspräsident würde mit zynischen Aussagen Opfer und Täter gleichsetzen, ein Minister würde sich weigern, mit dem Verband der KZ-Opfer zu sprechen und der Kulturminister würde die antifaschistische Befreiung Deutschlands negieren. Ja, das ist in der Tat unvorstellbar. Aber all das, was in dem fortschrittlichsten Land Europas unvorstellbar ist, ist in Kroatien, einem der rückständigsten Staaten Europas, alltägliche Staatspolitik.“
Regierung will keine mündigen Bürger
Besorgt über die Agenda der Regierung zeigt sich auch das liberale Webportal forum.tm. Denn diese plant, die Vergabe von 70 Prozent des Etats des Nationalen Fonds zur Förderung der Zivilgesellschaft in Ministerien zu verlagern. Mit dieser Finanzierungskontrolle sollen unliebsame NGOs zum Schweigen gebracht werden, warnt forum.tm:
„Wenn der Fonds tatsächlich geschwächt wird, wäre das ein direkter Anschlag auf all die Vereine, die Bürger zum kritischen Nachdenken und gesellschaftlichen Engagement animieren. 2014 hat der Fonds 486 Projekte von hunderten NGOs unterstützt, die wiederum 829 Menschen angestellt und über 7.000 freiwillige Helfer eingebunden haben. Das ist offensichtlich zu viel für diese Regierung. ... Der Nationale Fonds ist unabhängig von der Politik. Die Förderung durch ein Ministerium hingegen ist bei uns immer abhängig von politischen Spielchen und ideologischer Unterwürfigkeit und nie auf eine langfristige Unterstützung ausgerichtet. ... Ein kritischer, gut informierter und aktiver Bürger passt der neuen Regierung schlichtweg nicht. Man muss ihn mundtot machen.“