Ist Trump gefährlich für Europa?
In seiner Grundsatzrede zur Außenpolitik hat der republikanische Präsidentschaftsanwärter Donald Trump Vorrang für US-Interessen angekündigt. Als Präsident werde er stets nach dem Leitsatz "America first" handeln. Einigen Kommentatoren läuft es angesichts seiner Isolationsbestrebungen kalt über den Rücken. Andere warnen vor übertriebener Trump-Phobie.
Riskante Nonsens-Außenpolitik
Vor einem Präsidenten Trump kann gar nicht genug gewarnt werden, findet die Neue Zürcher Zeitung nach dessen erster außenpolitischer Rede:
„An seinem Text hatten offensichtlich andere Leute mitgewirkt, die einige der notorischsten Trumpismen - Abschottung der Südgrenze mit einer Mauer, Einreisesperre für Muslime, Aufrüstung Japans und Südkoreas zu Atomwaffenstaaten, prohibitive Strafzölle auf chinesische Waren - aus der Rede verbannten. Doch das Resultat ist keineswegs beruhigend, im Gegenteil. Es zeigt vielmehr, dass Trump selbst mithilfe eines Beraterteams nicht fähig ist, ein kohärentes Programm zusammenzustellen. ... Nun kann man sich damit trösten, dass Trumps Chancen auf die Präsidentschaft minim sind und mit Hillary Clinton eine erfahrene Aussenpolitikerin bereitsteht. Aber auch hier ist vor Wunschdenken zu warnen. Wenn sich eine bisher staatstragende Partei einem Nonsens-Politiker an den Hals wirft und sich, wie dies Trump tut, von aussenpolitischen Grundpfeilern wie der Nato und dem Freihandelsprinzip distanziert, so ist dies in jedem Fall alarmierend.“
US-Isolationismus gab es schon einmal
Trumps Leitlinien der Außenpolitik sind schwer zu durchschauen, dennoch findet sich darin ein roter Faden, erklärt Der Standard:
„Einerseits sollen die Verbündeten schwerere finanzielle Lasten schultern, statt sich wie Trittbrettfahrer zu benehmen, die sich bei der Verteidigung ganz auf Uncle Sam verlassen. Andererseits geht der Baulöwe hart ins Gericht mit der Regierung von Barack Obama, weil sie Verbündeten angeblich das Gefühl vermittelt, man könne sich auf die USA nicht länger verlassen. Einmal fordert Trump Kontinuität, dann betont er, dass die US-Außenpolitik weniger berechenbar werden müsse. ... Bei allen Ungereimtheiten - eine Art roter Faden wird sichtbar: ein amerikanischer Nationalismus mit ausgeprägter Neigung zur Nabelschau. Das 'America first', das Trump zu seinem Leitprinzip erhebt, war der Slogan jener Isolationisten, die noch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs glaubten, am besten sei es, sich aus allem herauszuhalten.“
Europa muss ohne USA klarkommen
Trumps Pläne sind nur die Fortsetzung einer US-Außenpolitik, die sich schon seit Jahren von Europa entfernt, analysiert De Volkskrant:
„Europäer sollten sich auf den strukturellen Trend einstellen: Die veränderte amerikanische Rolle in der Welt und der größere Abstand zu Europa und der europäischen Sicherheit. Die intellektuelle Variante davon lieferte ein anderer: Präsident Barack Obama. ... Obama wollte seine Finger nicht in Syrien verbrennen, ließ Bundeskanzlerin Merkel in der Ukraine die Kastanien aus dem Feuer holen und saß in der Libyen-Frage in der zweiten Reihe. Trump ist nur eine rauere Variante des amerikanischen Rückzugs. ... Die europäischen Verbündeten können Schande rufen und damit rechnen, dass Hillary Clinton die nächste Präsidentin wird. Aber selbst ihr Engagement wird vom Gemütszustand im Land und den veränderten strategischen Prioritäten der USA gebremst werden. Wer auch immer Obamas Nachfolger wird: Die Europäer müssen in diesen unsicheren Zeiten lernen, mehr selbst zu denken - und zu tun.“
Kein Grund für Trump-Phobie
Seine innen- wie außenpolitischen Pläne mögen absurd sein, doch Angst braucht man in Europa vor einem möglichen US-Präsidenten Trump nicht zu haben, beruhigt der Autor und Dokumentarfilmer Guillaume Van der Stighelen in De Morgen:
„Wir sehen demokratisch gewählte Führer noch immer als die Kaiser und Könige von früher. Wir vergessen dabei, dass Machthaber sich in einer Demokratie anständig verhalten müssen, sonst fliegen sie raus. ... Trump ist Geschäftsmann. Politik interessiert ihn nur wenig. Was ihn treibt, ist Erfolg. Wenn er Erfolg ernten kann, indem er jedem Latino-Migranten ein eigenes Haus gibt, dann wird er das tun. In einen fernen Krieg, den er nicht gewinnen kann, wird er kein Geld und keine Zeit stecken. ... Wir in Europa zittern und beben. Völlig überflüssig. Lasst es allen Trump-Phoben in der Welt eine Beruhigung sein: Was man sagt, um an die Macht zu kommen, ist selten das, was man tut, um an der Macht zu bleiben.“