Frischer Wind nach Rumäniens Kommunalwahlen?
Bei den Kommunalwahlen in Rumänien haben die Sozialdemokraten Zugewinne verzeichnet. Die neue Partei Union Rettet Bukarest kam in der Hauptstadt auf den zweiten Platz. Einige Kommentatoren ärgern sich über die vielen Nichtwähler, andere freuen sich, dass es eine Anti-Korruptionspartei ins Rampenlicht geschafft hat.
Wichtiger Sieg für die Zivilgesellschaft
Dass die neue Partei Union Rettet Bukarest (USB) nun auch bei der Parlamentswahl im November als Union Rettet Rumänien antreten will, hält die Wochenzeitung Revista 22 für eine prinzipiell gute Idee:
„Die stärkste Botschaft der Bukarester Kommunalwahl ist der Sieg von Nicușor Dan [Chef von Union Rettet Bukarest] und seines Kampfs gegen das Politik-Establishment. Nach der Brandkatastrophe im Nachtclub Colectiv hat die USB mit der Ablehnung der politischen Parteien punkten können. Sie hat jetzt eine gewichtige Zahl von Stadträten [knapp ein Viertel des Stadtrats] und damit eine starke Stimme in der Hauptstadt. Das ist wichtig, aber nicht ausreichend für die Parlamentswahl. Eine neue Partei auf Landesebene, wie die neue Union Rettet Rumänien sie sein will, ist in nur sechs Monaten bis zur Parlamentswahl nicht aufzubauen. Dennoch ist der Wahlsieg in Bukarest ein guter Ausgangspunkt. Er ist nach so vielen Jahren ein wichtiger Sieg für die Zivilgesellschaft.“
Empörte Bürger bleiben lieber zu Hause
Die Wahlbeteiligung lag bei 48 Prozent. Dass so viele Bürger nicht an die Urnen gegangen sind, ärgert România Liberă:
„Nicht einmal die Brandkatastrophe im [Bukarester Musikclub] Colectiv hat es geschafft unsere Haltung zu ändern. Und so bleiben wir in der Rolle des empörten Zuschauers, der sich bequem vor dem Fernseher platziert und all die Unglücke lautstark kommentiert, aber nichts zur Veränderung beiträgt. Doch von allein ändert sich nichts. … Wenn das Schicksal einer Gemeinschaft, ja einer ganzen Generation, von der Stimme eines jeden einzelnen abhängt, muss die Empörung auf der Couch die Menschen in die Wahlkabinen treiben. Dass das nicht geschehen ist, zeigt, dass wir noch nicht zu einer demokratischen Gesellschaft gereift sind. … Die meisten Bürgermeister und Stadträte haben bei der Wahl am Sonntag aufgrund der Abwesenheit der Wähler gewonnen. Die Partei der Nichtwähler ist die größte Partei im Land. Sie hat die Wahl verloren, mit der wir unsere Gesellschaft hätten ein wenig ins Gleichgewicht rücken können.“
Antikorruptionskampf abgewählt
Die Ergebnisse der rumänischen Kommunalwahlen findet das Onlineportal Hotnews besorgniserregend:
„Es ist ein alarmierendes Zeichen, dass die Öffentlichkeit vom Antikorruptionskampf nichts mehr hören will. Es ist kein Versagen der Antikorruptionsbehörde DNA, so wie das einige Politiker darstellen - die Institution genießt Vertrauen. Auf jeden Fall haben die Bürger Kandidaten gewählt, die unter Korruptionsverdacht stehen, die sogar in Untersuchungshaft sitzen oder bereits vor Gericht angeklagt wurden. Sie haben auch für eine Partei gestimmt, deren Chef von einem Strafgericht rechtskräftig verurteilt wurde. Es sind schwere Zeiten, in denen der Antikorruptions-Diskurs seine frühere Anziehungskraft verliert. Das wird Politiker anspornen, zumindest im Parlament mutiger gegen die Justiz vorzugehen.“
Wählen mindestens so wichtig wie Schuhe kaufen
Die meisten jungen Leute in Rumänien interessieren sich überhaupt nicht für die Wahlen, stellt Journalist Cristian Pantazi in Hotnews fest und redet dieser Zielgruppe ins Gewissen:
„Das Interesse an Converse-Schuhen, Skinny Jeans und bunten Kopfhörern wetteifert bei jungen Leuten mit dem Überdruss. Immer mehr junge, intelligente und aufgeklärte Rumänen zeigen Gleichgültigkeit gegenüber den Wahlen. Dieser Überdruss, diese Verachtung gegenüber Politikern hat sich gemütlich eingerichtet. ... Sie ist bequem, sie entspricht der Mode, man bekommt viele Likes auf Facebook dafür. ... Aber der Überdruss ist nicht umsonst. Eigentlich kostet er sehr viel. Er kostet uns das Leben und die berufliche Entwicklung. ... Was verliert ihr wenn ihr nicht wählen geht? Die Möglichkeit, den Kandidaten auf die Finger zu schauen. Es ist genauso wie beim Kaufen von Converse-Schuhen: Welches Modell das beste ist, wirst du erst wissen, wenn du es kaufst. Keine Entscheidung zu treffen, ist schlechter als alles andere.“
Abstimmung über den Reformprozess
Auch wenn diese Wahlen langweilig scheinen, geht es dabei darum, ob Rumänien sich künftig weiter reformieren wird oder Stillstand herrscht, meint Contributors:
„Die Politikdebatten, an denen die Kandidaten teilnehmen, sind langweilig, sie erinnern an den Kommunismus. Die Wahlprogramme werden gewissenhaft aufgesagt und der gemeinsame Wohlstand wird versprochen. ... Von dieser Mittelmäßigkeit aber abgesehen ist der 5. Juni ein höchst wichtiger Tag. Denn ob die Oligarchen weiter an der Macht bleiben, hängt von der Fähigkeit dieses Staats ab, Reformen durchzusetzen. ... Es ist klar, dass das neue Gesetz, nach dem nur ein Wahlgang vorgesehen ist, vor allem denjenigen dient, die reformunwillig sind und keine Transparenz wollen: der [sozialdemokratischen Partei] PSD, die als einzige Partei die Kraft hat, zu gewinnen.“