EU-Gegner Farage tritt ab
Ukip-Chef Nigel Farage hat am Montag seinen Rücktritt vom Parteivorsitz angekündigt. Damit wirft nach Boris Johnson die zweite Gallionsfigur der britischen EU-Gegner das Handtuch. Farage entzieht sich seiner Verantwortung, kritisieren einige Kommentatoren. Der EU-Parlamentarier verhindert weiteres Chaos, loben andere.
Feiger Farage wird noch von sich hören lassen
Farages Entscheidung für den Rücktritt hinterlässt Fassungslosigkeit, bemerkt der öffentlich-rechtliche Hörfunksender Český rozhlas:
„Was geht in dem Mann vor, der die Briten zu ihrer fatalen Entscheidung im Referendum führte und unmittelbar nach seinem triumphalen Sieg die politische Szene verlässt? Da sagt sich einer von seiner eigenen Verantwortung los. Er geht in einem Augenblick, als er gerade zu entscheiden beginnen sollte, wie es weitergeht. Es wird für ihn jetzt leicht sein, diejenigen zu kritisieren, die Großbritannien nunmehr führen und die es dabei wahrlich nicht leicht haben werden. Sein Mandat als Abgeordneter des Europaparlaments will Farage nicht aufgeben. Und er wird dort sicher von sich hören lassen. Es ist ein weiteres Paradox, dass die vehementesten Kritiker der EU keinerlei Problem verspüren, weiter in deren Institutionen zu sitzen, die sie ständig anprangern.“
Rücktritte verhindern weiteres Chaos
Die Kritik an den Rücktritten von Johnson und Farage entbehrt jeder Logik, schimpft die taz:
„Es ist völlig unverständlich, dass sich manche EU-Befürworter nun über Nigel Farages Rücktritt empören. Sie verwechseln den Ukip-Chef wohl mit einer bedeutenden politischen Figur. ... [In Europa geht] die Mär um, Johnson und Farage scheuten die Verantwortung für das von ihnen angerichtete Chaos. Das Gegenteil ist der Fall. Indem sie verzichten, verhindern die beiden das Chaos, das die Brexit-Gegner herbeizureden versuchen. Die EU wird sich daran gewöhnen müssen, dass die britischen Konservativen viel schneller als gedacht wieder vernünftig zusammenfinden, dass Großbritannien nicht nach rechts abdriftet und dass es auch keinen politischen und ökonomischen Zusammenbruch auf der Insel geben wird. Für die Selbstgerechtigkeit jener EU-Propagandisten, die den britischen Austrittswillen bitter bestraft sehen möchten, wird das ein Schlag sein. Aber für Europa ist es gut.“
Soft-Brexit wird wahrscheinlicher
Nach dem Rücktritt von Farage ist das Brexit-Lager führungslos und jede Lösung wird zu Frustrationen führen, prophezeit Trouw:
„Ohne Johnson und Farage wird die Chance sehr klein, dass sich die 17 Millionen Brexit-Wähler in einem Endergebnis wiederfinden können. Ein 'Soft-Brexit', bei dem die Folgen der Scheidung begrenzt werden, wird immer wahrscheinlicher. ... In London wird darüber spekuliert, ob [die mögliche Cameron-Nachfolgerin] May gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin Merkel einen Kompromiss erarbeiten wird. ... Farage wies gestern bereits auf die Gefahr eines 'Soft-Brexit' hin. Er warnte davor, dass seine Partei davon voll profitieren werde. Das ist nicht unrealistisch. Der Graben zwischen dem politischen Establishment und den unzufriedenen Bürgern - den little poor people, wie Farage sie nennt - wird mit seinem Abschied als Parteiführer sicher nicht kleiner.“
Welche Aufgabe gibt sich Ukip jetzt?
Nach dem Rücktritt von Farage stellt sich für den Tages-Anzeiger die Frage nach der Zukunft seiner Partei:
„Da Ukip nun seinen im Parteinamen enthaltenen Zweck erfüllt hat und dem Vereinigten Königreich die 'Unabhängigkeit' von der EU besorgt zu haben glaubt, ist für Farage die Arbeit getan. Um sicherzustellen, dass auch alles proper umgesetzt wird, will er den Tories natürlich gern weiter 'auf die Finger schauen'. Seinen Sitz im Europaparlament behält er fürs Erste auch noch. Ansonsten aber scheint er es diesmal ernst zu meinen mit seinem Abgang als Parteichef. Wie und ob überhaupt er in der britischen Politik noch weiter mitmischen will, darüber rätselt man in London noch. Ukip aber wird sich demnächst überlegen müssen, wofür es künftig stehen soll: Ob die Partei, nach Erreichen ihres Ziels, in der bisherigen Form weiter eine Zukunft hat - und wenn ja, welche. Ohne Nigel Farage.“