Kippt die Stimmung in Deutschland?
In Ansbach hat sich am Sonntag ein Syrer vor einem Musikfestival in die Luft gesprengt und 15 Menschen verletzt. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Motiv aus. Der Anschlag erschüttert Deutschland nach dem Angriff in einem Regionalzug und dem Amoklauf in München erneut – und Kommentatoren fragen sich, wie das Land nun mit Flüchtlingen umgehen wird.
Härtere Asylregeln bringen nichts
Auch eine Verschärfungen des Asylrechts kann Anschläge, wie die von Würzburg und Ansbach nicht verhindern, urteilt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Wer Flüchtlinge so aufnimmt, wie das in Deutschland geschieht, muss in Kauf nehmen, dass auch die Konflikte ihrer Länder aufgenommen werden und dass Verbrecher die Freizügigkeit ausnutzen. ... In den wiederkehrenden Versuchen, das Asylwesen noch strenger, noch besser, noch schneller zu machen, steckt eine ermüdende deutsche Utopie. Sosehr es auch 'verbessert' wird, das deutsche Asylrecht bleibt ein Einwanderungsrecht dritter Klasse und überfordert damit alle Beteiligten, nicht zuletzt die Angelockten, die wieder gehen müssen. Wer möglichst viele davon wieder loswerden will, hätte sich das früher überlegen müssen.“
Merkel könnte über Terror stolpern
Die Gewalt durch Terroristen in Deutschland kann große politische Konsequenzen nicht nur für das Land haben, fürchtet Imerisia:
„Erstens könnte es ein schwerer Schlag gegen Merkel sein, der sie nicht nur daran hindern könnte, für eine vierte Amtszeit zu kandidieren, sondern sogar dazu zwingen, vor der Wahl im September 2017 zurückzutreten. ... Zweitens könnte die Alternative für Deutschland (AfD) gestärkt und die Rückkehr der Liberalen von der FDP ins Parlament erleichtert werden - nun als harte rechte Partei. Seehofers CSU würde sich noch stärker von Merkels CDU abgrenzen. Es könnte also eine Mehrheit für Abkapselung entstehen, die nicht nur die Grenzen schließen sondern auch die europäische Integration auf Eis legen will.“
Allein unsere Angst bedroht Europa
So nachvollziehbar die Angst ist, die sich in diesen Tagen breit macht - sie stellt die größte Gefahr dar, meint Mladá fronta dnes:
„Die Welle der terroristischen Attacken trifft uns so unvorbereitet wie die Welle der Flüchtlinge vor einem Jahr. Die erste Reaktion ist ein allgemeines Erschrecken. Angst aber war noch nie ein guter Ratgeber. Die Anschläge in Europa gehen in ihrer Mehrheit auf das Konto Einzelner, nicht auf das von Gruppen. Und auch wenn sie große Töne spucken, sind weder der IS noch Al Qaida allein fähig, das Leben in Europa zu verändern. Sie können nur Schrecken verbreiten und auf frustrierte Seelen warten, die ihrer Propaganda erliegen und Anschläge versuchen. Was Europa verändern könnte, ist allein unsere Angst, ausgenutzt von Populisten. Es würde den Erfolg der Islamisten und Terroristen bestätigen, wenn wir uns beeinflussen ließen und künftig Extremisten wählen.“
Feuerprobe für deutsche Demokratie
Besorgt, dass die Stimmung in Deutschland nach vier Gewalttaten in einer Woche kippen könnte, zeigt sich El Periódico de Catalunya:
„Bislang haben nur die Rechtsradikalen und Pegida die Flüchtlinge benutzt, um Merkels Asylpolitik zu kritisieren. Die öffentliche Debatte kreist eher um die Kontrolle von Waffen. Das heißt aber nicht, dass die Angst nicht zur Psychose werden könnte. Die Stimmung darf sich jetzt nicht gegen die Flüchtlinge wenden, die bereits Opfer des Kriegs und der IS-Miliz sind. Das muss für Merkels Regierung oberste Priorität haben. Staat und Gesellschaft in Deutschland (wie in Frankreich) müssen nun eine Feuerprobe bestehen und dem in Europa grassierenden Populismus und Rassismus widerstehen. Wer verhindern will, dass sich in der deutschen Gesellschaft Angst breit macht und das Zusammenleben gefährdet, muss für Information und Transparenz sorgen, den Rechtsstaat stärken und darf nicht vor Populisten und Rassisten einknicken. Die Stärke der deutschen Demokratie kann ein Spiegel sein, in dem sich der Rest Europas betrachtet.“
Nicht alle Täter in einen Topf werfen
Davor, die Gewalttaten dieser Tage über einen Kamm zu scheren, warnt eindringlich De Standaard:
„Das eine Extrem sind trainierte und mit einem klaren Schlachtplan entsandte Syrien-Kämpfer, die in festen Gruppen auftreten. Das andere Extrem sind gestörte Individuen, in deren Leben irgendwann die Sicherungen durchbrennen. Dazwischen gibt es alle möglichen Zwischenstufen und Kombinationen. … Die Zunahme verschiedener schwerer Gewalttaten kann eine Gesellschaft zersetzen. Mit jedem Anschlag oder jedem schockierenden Angriff wird es schwieriger, die Unterschiede und Abstufungen wahrzunehmen. ... Doch mangelnde Differenzierung bringt uns einer Lösung nicht näher. Im Kampf gegen den islamistischen Terror hilft es nicht, wenn man ihm auch noch psychische Entgleisungen dazu rechnet.“
Berlin wird seine Asylpolitik verschärfen
Dass Deutschland nach den Ereignissen der vergangenen Tage nicht umhin kommen wird, seine Asylpolitik zu verschärfen, glaubt Pravda:
„Auch wenn die Politiker an die Ratio appellieren - die vielen Anschläge kamen jetzt so dicht aufeinander, dass die Menschen aufhören zu unterscheiden, was das Werk eines Amokläufers war und was auf das Konto von Islamisten ging. Die Leute haben schlichtweg Angst. Und das verändert ihre Haltung zu den Migranten. Zumal die Behörden die Information haben, dass sich unter den Flüchtlingen 410 mögliche Terroristen befinden könnten. Das alles erhöht den Druck, die liberale Asylpolitik zu überdenken. Radikale Änderungen werden zwar nur schwer durchsetzbar sein. Aber ignorieren kann die Politik die wachsende Nervosität der Öffentlichkeit nicht mehr.“
Falsche Flüchtlinge von Europa fernhalten
Unmissverständlich formuliert schließlich die Boulevardzeitung Super Express ihre Forderung:
„Man muss so schnell wie möglich den Zustrom der sogenannten Flüchtlinge aus Syrien stoppen. Praktisch stammen diese Immigranten meist aus anderen arabischen Ländern, kommen aus Lagern in der Türkei und wollen der Armut entfliehen. Puuh! Zum Glück regiert derzeit in Polen nicht mehr die PO. ... Derzeit wirkt Polen in dieser Hinsicht noch wie eine Oase des Friedens. So war es während des Nato-Gipfels. Und so wird es hoffentlich auch während der Weltjugendtage sein, die gerade beginnen. Letztlich werden wir Polen aber noch von einer anderen Art des Terrors bedroht: und zwar nicht von der IS-Miliz, sondern von einem Staat namens Russland und seinem grausamen Herrscher Putin.“
Natürlich sind Einwanderer kriminell
Zwischen Einwanderung und islamistischer Bedrohung besteht ein Zusammenhang, der nicht vertuscht werden darf, meint der Journalist Hermann Tertsch in der konservativen Tageszeitung ABC:
„Viele Länder fälschen Statistiken, weil sie die Beziehung zwischen illegaler Immigration und Kriminalität verdecken wollen. Tausende Sexualdelikte und andere Straftaten werden verheimlicht oder verharmlost. Bei dem Attentat in Würzburg konnten sie nicht leugnen, dass es ein muslimischer Flüchtling war. ... Die Politiker haben Angst. Vor den Flüchtlingen, die da sind und noch kommen werden. Vor unkontrollierbaren islamischen Gemeinden, die mit der Polizei nicht kooperieren. Vor allem aber vor den Wählern, vor der Rache einer verängstigten Gesellschaft, deren Sicherheit sie aus ideologischen Gründen riskiert haben und deren Verteidigung sie nun erschweren. Und alles nur, weil sie unfähig sind, die dramatische Situation, in die sie uns mit ihrer Verschleierungspolitik gebracht haben, in aller Härte darzustellen.“
Flüchtlinge besonders anfällig
Kanzleramtsminister Peter Altmaier sieht nach der Attacke in Würzburg kein erhöhtes Terrorrisiko durch Flüchtlinge in Deutschland. Die Frage überhaupt zu stellen, spielt aber noch lange nicht Rechtspopulisten in die Hände, meint der Tagesspiegel:
„Wer aus Angst vor dem Beifall von der falschen Seite den Disput scheut, die Kontroverse und den Streit um das bessere Argument, verkriecht sich in ein ideologisches Schneckenhaus. Das beschämende Nichtwahrhabenwollen bestimmter Zusammenhänge nach der Silvesternacht in Köln ist Lehre und Mahnung zugleich. ... Wer mit 15 Jahren ohne Eltern und Familie in ein ihm sehr, sehr fremdes Land kommt, die Sprache nicht spricht, sich einsam und verlassen fühlt und wegen seiner Religion als potenzieller Terrorist abgestempelt wird, der kann durchaus empfänglich sein für falsche Botschaften und religiöse Indoktrination. Jeder Geflüchtete, der in diesen verhängnisvollen Kreislauf gerät, ist einer zu viel.“
Deutschland darf eben nicht jeden reinlassen
Die verfehlte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist der Grund für den Angriff von Würzburg, konstatiert die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita:
„Dieser Fall des Attentäters von Würzburg zeigt, wie bedrohlich der Zustrom von Flüchtlingen aus dem vergangenen Jahr ist, wenn die Regierung nicht energische Schritte unternimmt, um diese Neuankömmlinge besser zu integrieren. ... Dabei ist das Fiasko, das Deutschland bei der Integration der Flüchtlinge erlebt, meistens durch die fehlende Ausbildung verursacht. Im vergangenen Jahr sind 1,1 Millionen in das Land gekommen. Davon haben nur 30.000 eine Arbeit gefunden. Davon hat der Staat einen Teil bezuschusst. … Im Gegensatz zu den Polen, die in Großbritannien leben, sind die Syrer, Iraker und Afghanen eine Belastung für den deutschen Haushalt.“
Terror verbreiten war nie einfacher
Die Identifikation mit der Terrormiliz IS gibt Gewalttaten einen politischen Sinn, analysiert Die Presse:
„Der IS bietet seit jeher Personen mit einer problematischen psychologischen Verfasstheit eine Bühne. Eine österreichische Gerichtspsychiaterin diagnostizierte bei zurückgekehrten IS-Kämpfern etwa einen ausgeprägten Mangel an Empathie für das Leid anderer. Nun mobilisiert der IS über seine Aufrufe zunehmend Menschen, die ihren amokartigen Taten einen politischen Sinn geben können. Sind diese Täter über die IS-Ideologie zum Irrsinn oder über ihren Irrsinn zur IS-Ideologie gelangt? Noch nie war es einfacher als jetzt, Terror zu verbreiten.“
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