Trump stellt Nato-Bündnisfall infrage
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Trump würde den baltischen Staaten im Fall eines russischen Angriffs nur beistehen, wenn diese einen ausreichenden Beitrag für das Nato-Bündnis geleistet hätten. Mit dieser Aussage in einem Interview wirft er sechs Jahrzehnte US-Bündnispolitik aus dem Fenster, kritisieren einige Kommentatoren. Für andere wiederholt Trump nur die alte US-Kritik an Europas militärischer Zurückhaltung.
Statt Putin demontiert nun Trump die Nato
Mit seiner Äußerung stellt Trump den Daseinszweck der Nato infrage, schimpft die Süddeutsche Zeitung:
„Aus der Pflicht zum Beistand macht er ein politisches Gegengeschäft. Welche 'Verpflichtungen' gegenüber den USA soll denn ein Kleinstaat wie Lettland erfüllt haben, bevor Trump ihn für würdig befindet, etwa gegen einen russischen Angriff verteidigt zu werden? Trump wirft mit einem einzigen Satz sechs Jahrzehnte amerikanischer Bündnispolitik aus dem Fenster. Die Beistandspflicht ist das Herz der Nato, Trump stößt sie ab wie ein unrentables Grundstück. Er lädt damit Russland geradezu ein, den Radius seiner Aggressionen auch auf Nato-Staaten zu erweitern. Das ist so dumm wie gefährlich. ... Die Demontage der Nato - was dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gelungen ist, erledigt vielleicht demnächst sein amerikanischer Kollege.“
Das wäre das Ende der Pax Americana
Als US-Präsident würde Trump ein gefährliches Machtvakuum in der Weltpolitik schaffen, zeigt sich Sydsvenskan über die Aussage des Kandidaten der Republikaner entsetzt:
„Diese Stellungnahme ist katastrophal. Mit einem Satz untergräbt Trump die Weltordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg herrscht. Er hat eine ausgeprägt isolationistische Haltung. ... Wenn sich die USA, letztlich wichtigster Verteidiger der westeuropäischen offenen Gesellschaft, mit Donald Trump im Weißen Haus nach innen wenden, ist dies ungeheuer ernst. Autoritäre Mächte wie Russland, Iran und China nehmen schon jetzt mehr und mehr Raum ein. Bei einem Rückzug der USA entstünde angesichts ihrer dominanten Stellung als Weltmacht ein gefährliches Vakuum. Mit der Pax Americana wäre es vorbei.“
Kandidat sagt eigentlich nichts Neues
Die Reaktionen auf Trumps Interview sind hysterisch, konstatiert das Portal Delfi:
„Manche haben Trumps Worte nicht richtig analysiert. Wieso sollte man einem selbstverliebten Populisten zuhören, dessen Frau fremde Reden plagiiert? Trump verkörpert die schlimmsten amerikanischen Stereotype. Die Aussage ist nur ein weiterer Beweis, dass Trump für Litauen gefährlich ist und die, die ihm zuhören, Tölpel sind. … Aber was hat Trump denn Neues gesagt? Eigentlich ist es grundsätzlich das gleiche, was eine ganze Reihe wichtiger Politiker und Beamter aus Washington auch schon gesagt haben. Wieso sollten die US-Amerikaner die Europäer, die sich selbst nicht kümmern und nur lahme Ausreden murmeln, auf eigene Kosten verteidigen? Trump hat die Platte, die in Amerika schon lange läuft, einfach neu aufgelegt. Nur undiplomatisch, unhöflich, grob.“
Alles nur Gerede im Wahlkampf
Als reine Wahlkampfrhetorik bezeichnet der Politologe Kārlis Daukšts im Onlineportal TV Net die Aussagen Trumps:
„Trump ist nur ein Präsidentschaftskandidat. Er kann sich leisten, alles zu sagen, um seine Wähler zu ermutigen. Wenn es Trump mit Realpolitik zu tun bekommt, wird er seine Rhetorik bestimmt ändern. Im Moment ist das nur Gerede, das gegen Hillary Clinton gerichtet ist. Es ist nur ein Spiel und wir müssen verstehen, dass diese Vermutungen kontraproduktiv sind. ... Die einzigen Gewinner in diesem Fall sind die russischen Medien, dich sich wieder bestätigt fühlen können, dass die Nato und andere Länder schwach sind und sich in einem chaotischen Zustand befinden.“