Kann Bank of England die Rezession verhindern?
Zur Bekämpfung einer Rezession infolge des Brexit-Votums hat die britische Notenbank den Leitzins auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Zudem wird sie verstärkt Staatsanleihen und neuerdings auch Unternehmensanleihen kaufen. Die Geldschwemme verschafft dem Land eine Atempause, doch muss bald klar sein, welchen politischen Kurs Großbritannien einschlagen will, analysieren Kommentatoren.
Vor allem britische Regierung ist nun gefordert
Die britische Notenbank allein ist nicht in der Lage, die massiven Folgen des Brexit abzufedern, warnt die Financial Times:
„Die Bank of England kann eine plötzliche Vertrauenskrise kompensieren und die Anpassung Großbritanniens an eine 'neue Realität', wie Notenbankchef Carney es bezeichnete, sanfter ablaufen lassen. Doch die Bank kann kaum etwas tun, um diese Realität zu verändern. Der Brexit hat einen angebotsseitigen Schock mit einem starken Rückgang bei den Investitionen in den kommenden Jahren zur Folge. Die langfristige Wohlstandsentwicklung Großbritanniens wird davon abhängen, wie das Land seinen Handel mit anderen Staaten entwickelt und ob es seine miserable Produktivität verbessern kann. Der geldpolitische Stimulus der Bank of England mag den Politikern eine Atempause verschafft haben. Doch nun ist die Regierung in der Pflicht, gezielte finanzpolitische Impulse zu setzen, während sie entscheidet, wohin der Brexit führen soll und die Verhandlungen startet.“
Geldschwemme kann Politik nicht ersetzen
Es fehlt nicht an Liquidität, es fehlt an politischen Entscheidungen, kritisiert die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore:
„Diese Krise ist selbstverschuldet, ausgelöst von einer politischen Entscheidung, die waghalsig dem Volk anvertraut wurde, und dies einzig und allein, um die Machtverhältnisse bei den Konservativen zu klären. ... Jetzt richten sich alle Blicke auf die Bank of England in der Hoffnung, dass im Safe die übliche Bazooka versteckt gehalten wird, die sich in eine Wunderwaffe verwandeln soll. Die einzige dicke Bertha, um bei den Kriegsmetaphern zu bleiben, ist eine politische Entscheidung. Doch genau die fehlt. ... London hat die Weichen gestellt - inklusive eines Brexit-Ministers - für einen langsamen Übergang von der Welt von gestern in die morgige. Doch sind dies keine Zeiten, in denen Langsamkeit angebracht ist. Und nach wie vor fehlt es Hinweisen darauf, welche Marschrichtung London eigentlich einzuschlagen gedenkt.“
Negative Auswirkungen auch auf den Rest Europas
Die Folgen des Brexit-Votums werden in ganz Europa zu spüren sein, kommentiert El Periódico de Catalunya die Leitzinssenkung:
„Seit dem Brexit-Votum leidet die britische Wirtschaft, wie man im Dienstleistungssektor sieht, der 80 Prozent des britischen BIP ausmacht. Seit dem 23. Juni ist er so stark geschrumpft wie seit sieben Jahren nicht mehr. Auch die Industrie und der Bau stagnieren und das Pfund wird schwächer. Großbritannien rutscht ab in die Rezession, da sind die schnellen Gegenmaßnahmen der britischen Zentralbank nur plausibel. ... Doch dabei wird es nicht bleiben. Wir leben im Reich der Globalisierung, also ist der Brexit kein rein britisches Problem. Der IWF hat den negativen Effekt in der Eurozone schon mit 0,5 Prozentpunkten bemessen. ... Die britischen Touristen [in Spanien] konsumieren weniger. Sie mussten zusehen, wie ihre Kaufkraft schwand, und zwar von einem Monat auf den anderen.“
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