Labour vor Wahl des Parteichefs tief gespalten
In Großbritannien hat die Wahl des Labour-Chefs begonnen. Bis Mitte September dürfen die Mitglieder abstimmen, ob weiterhin Jeremy Corbyn oder sein Rivale Owen Smith die Partei lenken soll. Um die Wahl von Corbyn zu verhindern, waren seine Kritiker sogar mit einer Beschwerde über das Prozedere vor den Obersten Gerichtshof gezogen - scheiterten jedoch. Sollten sie ihre Strategie ändern?
Jetzt ist es Zeit für eine Abspaltung
Die vielen Kritiker von Jeremy Corbyn unter den Labour-Abgeordneten im britischen Unterhaus sollten eine moderatere neue Partei gründen, wie das schon einmal 1981 mit der damals aber erfolglosen SDP der Fall war, rät die Times:
„Corbyns Unterstützern geht es letztlich nicht darum, dass die Labour Party Wahlen gewinnt. Sie werden nicht einfach verschwinden, falls und wenn Labour ein Wahldebakel erleidet. ... Wenn Gegenkandidat Owen Smith mit seinem Versuch scheitert, Corbyn als Parteichef zu stürzen, sollten sich die Labour-Abgeordneten für einen mutigeren Schritt bereit machen. Die britische innenpolitische Landschaft ist so zersplittert wie niemals zuvor im vergangenen Jahrhundert. ... Es gibt null Aussicht darauf, dass ein Parteiprogramm, das [wie jenes von Labour] Verstaatlichung und ein Ende der nuklearen Abschreckung fordert, bei Wahlen Erfolg bringen könnte. Der Raum für eine neue Mitte-links-Partei könnte noch größer sein als vor 30 Jahren.“
Corbyn mit Argumenten statt mit Tricks besiegen
Die Labour-Parteiführung wollte 130.000 Mitglieder von der Wahl ausschließen, weil sie ihrer Meinung nach noch nicht lange genug dabei sind. Der Oberste Gerichtshof erklärte dies für unzulässig. Dass diese Entscheidung nun die Labour-Spitze anficht, missfällt The Independent:
„Das Schauspiel einer Labour Party, die ihren Bürgerkrieg durch die Gerichte kämpft, ist wenig erbaulich. Und die Politik ist im Moment auf Corbyns Seite. Er genießt die Unterstützung der Mehrheit der zahlenmäßig stark gewachsenen Labour-Parteibasis. Solange diese ihn will, steht ihm die Führungsrolle zu. Jene Labour-Vertreter, die Corbyn für den Falschen an der Parteispitze halten, müssen ihn mit Argumenten besiegen statt die Wahl zu manipulieren. Einige von Corbyns Unterstützern mögen nur deshalb Parteimitglieder geworden sein, weil sie mitwählen wollen und nicht, weil es ihnen um die Interessen der Labour Party geht. Doch die meisten von ihnen sind begeisterte Anhänger einer Politik, an die sie wirklich glauben.“
Die letzte Hoffnung des linken Flügels
Corbyns Unterstützer sehen in ihm den einzigen Vertreter traditioneller linker Wertvorstellungen, die in den vergangenen Jahrzehnten in der Labour Party immer mehr an den Rand gedrängt wurden, analysiert Kolumnistin Ellie Mae O'Hagan im Guardian:
„Ich bin noch keinem einzigen Corbyn-Anhänger begegnet, der naiv über dessen Fehler und Schwächen als Parteichef sowie die großen Herausforderungen, vor denen dieser steht, hinwegsieht. Ich habe auch keinen getroffen, der nicht die nächste Parlamentswahl gewinnen will. Der Grund, warum sich dennoch so viele um Corbyn scharen, ist, dass sie ihn als einzige Chance seit den vergangenen 30 Jahren sehen, ihre Ansichten endlich im öffentlichen Leben vertreten zu sehen. Der Versuch der Labour-Rebellen, Corbyn zu stürzen, ist aus ihrer Sicht nicht nur ein Versuch, diesen loszuwerden, sondern auch ein Bemühen, den gesamten linken Flügel der Partei zu exkommunizieren.“