Bahamas-Leaks belasten Ex-Kommissarin Kroes
Die frühere EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes war Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung zufolge während ihrer Amtszeit Direktorin einer Briefkastenfirma auf den Bahamas. Die EU-Kommission will die Angelegenheit untersuchen. Kroes' Bahamas-Geschäfte sind ein weiterer Schlag für das Image der EU, bemerken einige Kommentatoren. Andere betonen, dass es bislang noch keinen Hinweis auf Amtsmissbrauch gibt.
Großreinemachen in Brüssel dringend nötig
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte in Brüssel gründlich aufräumen, rät Le Monde:
„Für Junckers Kommission ist die Affäre verheerend. Man sollte sich jedoch nicht täuschen. Der frühere luxemburgische Premier und seine Kommission verfolgen Betrug mit dem Fleiß Neukonvertierter. Dass Juncker Gegenstand einer Verunglimpfungskampagne in Brüssel ist, liegt daran, dass er kämpft. Gegen Apple und Steuerflucht, für eine europaweite Verteilung von Flüchtlingen, für eine lockerere Haushaltspolitik. Mit seinem Handeln macht er sich Feinde in Nord- und Osteuropa sowie bei den deutschen Konservativen. Juncker ist ein politischer Präsident einer politischen Kommission. Er muss unterstützt werden. Und er muss den Weg konsequent fortsetzen und den Fall Kroes vor Gericht ziehen, um zumindest all ihre Aktivitäten ans Licht zu bringen. Schafft er in Brüssel keine Ordnung, werden sich die Populisten darum kümmern.“
Unkorrekt, aber kein Skandal
Es gibt bisher keine Hinweise auf Amtsmissbrauch gibt Der Standard zu bedenken:
„Die EU-Kommission taumelt von einer Affäre zum nächsten Korruptionsverdacht. Dieser Eindruck des schleichenden Ansehensverlusts stellt sich leicht ein, wenn man die Schlagzeilen zu jüngsten Enthüllungen von 'Bahamas-Leaks' im Fall Neelie Kroes liest. ... Sie hat nicht - wie vorgeschrieben - gemeldet, dass sie vom Jahr 2000 an, also lange vor Amtsantritt, bis 2009 als Direktorin einer Briefkastenfirma eingeschrieben war - ein klarer Bruch des Verhaltenskodex. So unkorrekt das auch ist: Man sollte vorsichtig sein, daraus den großen EU-Skandal zu konstruieren. Kroes hat den Bahamas-Job, ein Projekt, offenbar nie ausgeführt. Und sie galt als Wettbewerbskommissarin als besonders fähig, hat Konzernen wie Microsoft mit großer Härte die Stirn geboten. Es gibt bisher keine Hinweise auf persönliche Malversationen als Kommissarin oder gar Amtsmissbrauch.“
EU-Politiker dürfen sich nicht alles leisten
Neelie Kroes schadet dem Image der EU ebenso wie der frühere Kommissionspräsident Manuel Barroso, klagt De Volkskrant:
„Für das Image der Europäischen Kommission ist das ein erneuter Schlag. Wie glaubwürdig sind die europäischen Versuche, Steuerflucht zu bekämpfen, wenn eine frühere EU-Kommissarin in einem Steuerparadies aktiv war? Schon jetzt haben viele Europäer das Gefühl, dass die EU-Kommission vor allem die Interessen der Industrie vertritt und viel weniger die des einfachen Europäers im Blick hat. ... EU-Kommissare müssen alles tun, um klarzumachen, dass sie für die Bürger da sind. Von ihnen muss man das höchste Maß an Integrität fordern. ... Das bedeutet auch Einschränkungen für ehemalige EU-Kommissare. Aktivitäten, mit denen sie das Image der EU im Nachhinein noch beschmutzen, müssen unter allen Umständen vermieden werden.“
Drehtür-Effekt verhindern
Unabhängig von Kroes' Bahamas-Geschäften muss der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft besser geregelt werden, meint La Vanguardia:
„Denn der Fall legt auch den Finger in die offene Wunde des Drehtür-Effekts, zumal die Ex-Kommissarin zur Zeit Geld für ihre Beraterfunktionen bei der Bank of America und [dem Mitfahrdienstleister] Uber erhält. Als offensichtlichster Skandal ist hier der ehemalige Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso zu nennen, der nach seinem Mandat in Brüssel begann, für die mächtige Investmentbank Goldman Sachs zu arbeiten. ... Für das kriselnde Projekt Europa bedeutet dieser Imageschaden für EU-Institution einen weiteren Tiefschlag. Die EU-Kommission muss stärker darüber wachen, dass ihre Kommissare den Ethikkodex einhalten und gleichzeitig strengere Regeln schaffen, um den Drehtür-Effekt zu vermeiden.“