Wie sinnvoll sind Referenden?
Die Volksabstimmung in Ungarn ist wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Die Kolumbianer stimmten gegen einen Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen und überraschten damit die Beobachter. Zuvor hatte schon das Brexit-Referendum einen Schock hinterlassen. Für einige Kommentatoren ist das Referendum ungeeignet als demokratisches Instrument. Andere warnen davor, Volksabstimmungen zu verteufeln.
Wenn die Unvernunft zum Sieger wird
2016 wird als Jahr der unvernünftigen Referenden in die Geschichte eingehen, prophezeit La Vanguardia:
„Zahlreiche Urnengänge bringen uns im Jahr 2016 in Verlegenheit und die Referenden schießen dabei den Vogel ab - vor allem ihr Ausgang. Die Briten wählten den EU-Austritt, anscheinend ohne über die Konsequenzen nachzudenken, wie man hinterher an den Reaktionen sah. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat am Sonntag ein - wegen geringer Wahlbeteiligung - ungültiges Referendum gewonnen, das dazu dienen soll, Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Und weitere Turbulenzen sind in Sicht: Im Dezember entscheiden die Italiener im Referendum zur Verfassungsreform darüber ab, ob Regierungschefs Matteo Renzi im Amt bleiben soll. Bisher hat immer die unerwartete Option gewonnen, und die unvernünftige.“
Politiker flüchten vor Verantwortung
Warum Referenden kein gutes demokratisches Werkzeug sind, erläutert Jyllands Posten:
„Zunächst einmal zeigt sich, dass Volksabstimmungen als politisches Universalmittel eine ganz schlechte Idee sind. Sie können missbraucht werden, wie in Ungarn, oder zu einer unglücklichen Spaltung führen, wie jetzt in Kolumbien. ... Fürsprecher der Volksabstimmungen verweisen gern auf die Schweiz als funktionierendes Beispiel. ... Aber die Schweiz ist ein Sonderfall, weil es wegen des sogenannten Konkordanzmodells keine echte Opposition gibt. ... Volksabstimmungen muss es geben, wenn das Grundgesetz das verlangt. In der Regel wenn es um Fragen der Abgabe von Souveränität in Verbindung mit der EU oder um Grundgesetzänderungen geht. In nahezu allen anderen Fällen, vor allem bei Einzelfragen, ist es eine Flucht vor der Verantwortung. In Demokratien haben wir richtige Parlamente. Und die müssen ihre Verantwortung wahrnehmen.“
Auch Wahlen können schief gehen
Der Politikwissenschaftler Yves Sintomer verteidigt hingegen in Libération das Instrument der Volksabstimmungen:
„Wenn Orbán ein Referendum organisiert, sagt man, es sei gefährlich. Als Orbán gewählt wurde, hätte man mit dem gleichen Argument sagen können, dass Wahlen ein gefährliches politisches Instrument sind: man sähe ja schließlich, dass sie einen Autokraten an die Spitze des Staats befördern und das politische Regime verändern. Wie in der Türkei, mit der Wahl Erdoğans. Sollen wir deshalb also keine Wahlen mehr abhalten? Man vergisst schnell die Gegenbeispiele. Referenden finden immer wieder statt, ohne dass deswegen Katastrophen eintreten. … Das Volk kann sich bei der Wahl emotional verhalten. Es kann sich täuschen. Aber das Gleiche gilt für die politischen Eliten.“