Schwarzer Montag für die PiS?
Tausende Menschen haben in Polen gegen ein totales Abtreibungsverbot demonstriert. Komplett in Schwarz gekleidet gingen sie am Montag gegen das Gesetzesvorhaben der nationalkonservativen PiS-Regierung auf die Straßen. Kommentatoren erkennen den Beginn einer großen Protestwelle.
Wut der Polinnen markiert eine neue Epoche
Regelrecht einen Wendepunkt in der polnischen Geschichte wittert Edwin Bendyk auf seinem Blog beim Magazin Polityka:
„Jetzt haben wir eine Revolution. Es ist die Kulturrevolution, die Jarosław Kaczyński angekündigt hat, auch wenn sie nun nicht so aussieht, wie er sie haben wollte. ... Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, den 3. Oktober 2016 als Beginn einer neuen Epoche zu notieren. Der Schwarze Montag ist der Ausbruch des gesellschaftlichen Zorns der Frauen gegen den Versuch, ihre grundlegenden Rechte einzuschränken. Die Frauen haben sich schwarz gekleidet, sich versammelt, geschrien und sind wieder nach Hause gegangen. [Außenminister] Witold Waszczykowski hat zwar gesagt, Polen habe wichtigere Probleme. Doch auch Zar Nikolaus II. hat an dem Tag, an dem die Februarrevolution ausbrach, in einem Zeitungsinterview erklärt, dass nichts Wichtiges passiert sei - außer dass er zur gewöhnlichen Zeit seinen Tee getrunken habe.“
Katholische Fanatiker stürzen Polen ins Verderben
Genau im Blick hat die Entwicklungen in Polen auch die Zeitung Jutarnji list, denn sie sieht den Geist, auf dem das rigide polnische Abtreibungsgesetz beruht, als Gefahr für die freie Gesellschaft:
„Es liegt etwas Monströses darin, wie die katholischen Aktivisten die Welt verstehen. Ihr Handeln als schlechte Kopie Gottes fußt auf der banalen Vorstellung, dass alles so geschieht, wie Er es will und Er sie dazu ermächtigt hat, zu bestimmen, wann und wie andere leben. ... Eine Gesellschaft, die im 21. Jahrhundert Frauen wegen Abtreibung verfolgen will, ist nicht frei. So eine Gesellschaft ist schlichtweg verbohrt. Sie kann glücklich in ihrer eigenen Dummheit schwelgen, doch sie ist eben auch gefährlich - für sich selbst, aber auch für andere Gesellschaften. Denn hier handelt es nicht um einen Einzelnen, von dem man sich abwenden kann, wenn er zu dämlich ist. ... Und nachdem eine gefährliche Idee als selbstverständlich und normal durchgesetzt wurde, geht die Agenda weiter!“
Der Makel wird an der PiS haften bleiben
Für den Chefredakteur der konservativen Rzeczpospolita, Bogusław Chrabota, bedeuten die Proteste vom Montag einen Wendepunkt:
„Die Linke, der ein politisch bedeutendes Thema in die Hände gefallen ist, wacht jetzt auf. Dies kann die polnische Rechte noch teuer zu stehen kommen. … Ist dieser schwarze Protest nun unwichtig, und wird er sich nur auf die Straßen der großen Städte und nur auf einen bestimmten Zeitraum beschränken? Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht so sein wird. Selbst, wenn die Proteste heute oder für einen Moment zum Stillstand kommen, wird sich in den Köpfen der Teilnehmerinnen folgendes Bild verankern: PiS bedeutet Abtreibungsverbot. Und das Abtreibungsverbot ist gleichbedeutend mit der Rückkehr ins Mittelalter. Und solche negativen Vorurteile halten sich lange. Daran wird man sich immer wieder erinnern.“
Endlich stehen Polens Frauen auf
Die Demonstrationen vom Montag sind der Beginn einer großen Protestwelle in Polen, sagt die Soziologin Weronika Grezebalska in Eesti Päevaleht voraus:
„Die Abtreibungskrise hat einen gewissen 'Frauenfrühling' in Polen hervorgerufen - Frauen wachen auf und politisieren sich. Die zahlreichen Proteste unterscheiden sich in ihrer Form, sie finden im ganzen Land statt. Das wichtigste ist, dass die Proteste oft von Frauen initiiert werden, die bis jetzt nicht zu den feministischen Kreisen gehörten. Die erste Welle der Demonstrationen begann, als bekannt wurde, dass der fundamentalistische Verein Ordo Iuris einen Gesetzesvorschlag plante, der Abtreibung in allen Fällen verbieten will, sogar bei Vergewaltigung, Inzest und wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. ... Eine besonders interessante Initiative ist der sogenannte Frauenstreik, auch schwarzer Montag genannt, wo Frauen sich gegenseitig mobilisieren, an dem Tag nicht zu arbeiten und stattdessen an Protestaktionen teilnehmen.“