Hat Deutschland Verantwortung für Kundus-Opfer?
Der Bundesgerichtshof hat Entschädigungsforderungen der Hinterbliebenen von Opfern eines Angriffs im afghanischen Kundus 2009 zurückgewiesen. Damals starben mindestens 90 Zivilisten, als die Bundeswehr zwei von Taliban entführte Tanklaster bombardierte, die möglicherweise als Waffe eingesetzt werden sollten. Entschädigung für die Folgen eines Kriegs kann es nicht geben, loben einige Kommentatoren. Andere fordern, dass Deutschland zu seiner Verantwortung steht.
Im Krieg haftet der Staat nicht
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat der Bundesgerichtshof die einzig richtige Entscheidung gefällt:
„Denn die Amtshaftung ist ersichtlich nicht für den Krieg geschaffen worden, ganz abgesehen davon, dass Deutschland mit einer solchen Entschädigungsregel weltweit einzigartig dagestanden hätte. Im Übrigen hat die Bundesregierung den Familien der Opfer freiwillig eine Art finanzieller Genugtuung geleistet. ... Der Luftschlag von Kundus richtete sich aber gegen von Taliban entführte Tanklastzüge unweit eines Lagers, also tödliche Waffen - und damit legitime Ziele. Die minutiöse Abwägung wie strafrechtliche Aufarbeitung sprechen absolut gegen die jetzt von der Linkspartei verbreitete Parole 'Erst bombardieren, dann ignorieren'. Die Bundeswehr verteidigt in Afghanistan nicht nur unsere Sicherheit, sondern auch das Recht.“
Deutschland sollte Verantwortung übernehmen
Der Bundesgerichtshof hat eine historische Chance vertan, kritisiert hingegen die Süddeutsche Zeitung:
„Mit seinem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun festgelegt, dass Deutschland niemals haftet, auch nicht für grobe Fehler und haarsträubendes Verschulden seiner Soldaten. Der willkürliche Luftangriff, der unverhältnismäßige Mörsereinsatz, das völlig überzogene Feuergefecht - all das sind keine Fälle für das deutsche Amtshaftungsrecht. Die Amtshaftung, sagt der BGH, ist für Überschwemmungsschäden wegen unzureichender Kanalisation da oder für Fehler der Gewerbeaufsicht. ... Gewiss, einklagbare Ansprüche für die Fehlleistungen eigener Soldaten akzeptiert bisher kein Staat. Doch im Völkerrecht gewinnen individuelle Ansprüche von Opfern inzwischen an Bedeutung. In einer Zeit zunehmender Auslandseinsätze deutscher Soldaten würde es Deutschland gut anstehen, zu sagen: Zur globalen Verantwortung gehört auch die Entschädigung der Opfer.“