Human Rights Watch wirft Türkei Folter vor
Die türkische Polizei soll nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli Häftlinge gefoltert und misshandelt haben. Das beklagt Human Rights Watch in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Der von der Regierung beschlossene Ausnahmezustand nach dem Putschversuch ist bis heute in Kraft. Kommentatoren beobachten ein Klima der Angst in der Türkei und kritisieren den fehlenden Druck seitens der EU.
Regierung kreiert System der Angst
Es ist erschreckend, dass selbst Anwälte so eingeschüchtert sind, dass sie sich nicht gegen Folter an ihren Klienten wehren, kritisiert die regierungskritische Cumhuriyet:
„Wer den Bericht von Human Rights Watch ließt und über das Grauen in Folge des 15. Juli nachdenkt, das selbst einen Anwalt dazu bringt, sich wegzuducken wie in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren oft geschehen, der wird sich noch mehr als damals fürchten und zurückschrecken. ... Wenn Sie [die Regierung] die Justiz komplett abschaffen, die Dauer für die Untersuchungshaft verlängern und Gefangenen verbieten, ihre Anwälte zu sehen, hat schließlich jeder vor Ihnen Angst. ... Das wissen wir aus Erfahrung. In allen Ländern, in denen der Faschismus regiert, haben Anwälte, deren Klienten neben ihnen Schläge einstecken müssen, Angst davor, für Gerechtigkeit zu kämpfen und schweigen lieber. ... Der Faschismus wächst mit diesem Schweigen. Und das Schweigen der Masse wandelt sich schnell zum Schweigen der Opfer.“
Empörung muss auch Druck erzeugen
Die EU muss nun das richtige Maß finden, um auf die Vorwürfe zu reagieren, fordert die taz:
„[Die türkische Regierung] ist bemüht, den Ausnahmezustand vor allem mit Verweis auf Frankreich als normale europäische Antiterrormaßnahme darzustellen. Der französische Außenminister, am Montag zu Besuch in Ankara, hat dagegen nur schwach protestiert. Das ist absolut zu wenig. Die EU und die einzelnen europäischen Länder müssen auf Folter genauso massiv reagieren wie auf die Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Das kann aber nicht heißen, das Gespräch mit der türkischen Regierung abzubrechen. An diesem Punkt treffen sich derzeit fatalerweise Rechte und einige Linke, konkret CSU und Linkspartei. Die einen, weil sie die Türkei noch nie als EU-Mitglied wollten, die anderen aus echter Empörung. Aber Empörung nutzt nichts, wenn man keinen Druck machen kann. Und Druck ist nur möglich, wenn man im Gespräch bleibt und gegebenenfalls etwas zu bieten hat.“