Israelischer Soldat wegen Totschlags verurteilt
In Israel hat ein Militärgericht den Soldaten Elor Azaria wegen Totschlags verurteilt. Der damals 18-Jährige hatte 2015 einen verletzt auf dem Boden liegenden palästinensischen Attentäter durch einen Kopfschuss getötet. Der Fall wühlt das ganze Land auf – und beschäftigt auch Europas Kommentatoren.
Justiz überwindet den mentalen Kriegszustand
An den Reaktionen der israelischen Öffentlichkeit auf das Urteil gegen den Soldaten Azaria zeigt sich, wie sehr das Land vom Krieg geprägt wird, analysiert Avvenire:
„Bevor wir Anstoß an der öffentlichen Meinung nehmen und sie verurteilen, erinnern wir uns daran, dass Israel überall, im Inland wie im Ausland, von Feinden umgeben ist. Ihr tägliches Ziel ist es, einen Juden umzubringen, egal wo sie ihn treffen, wie alt er ist, welches Geschlecht er hat oder was er gerade tut. ... Für den Soldaten und für alle, die für ihn protestieren, gilt das Prinzip: 'Töte deinen Feind, bevor er dich tötet.' … Für die menschliche Moral gehört ein Soldat verurteilt, der einen wehrlosen Feind tötet, weil dieser wehrlos ist. Für die militärische Moral gehört er ausgezeichnet, weil der Getötete ein Feind ist. Die Justiz, die diesen Soldaten verurteilt, tut ihre Arbeit. Das Militär und die Politik, die ihn auszeichnen, tun ebenfalls ihre Arbeit. Doch die Menschheit bedarf der ersteren.“
Kritiker müssen Urteil als Chance begreifen
Als eine Entscheidung, die Israel stärken kann, sieht El País das Urteil:
„Israel ist bekanntlich nicht nur vom Terrorismus und den feindlich gesinnten Nachbarn bedroht, sondern auch der Kritik der internationalen Staatengemeinschaft ausgesetzt, die die illegale Siedlungspolitik regelmäßig verurteilt. Was deshalb überrascht: Diejenigen, die sich nun hinter den Soldaten Azaria stellen, verstehen nicht, dass das Urteil zeigt, dass Israel ein Rechtsstaat ist, mit unabhängigen Gerichten und einer lebendigen Demokratie. … Und dass sich das Land eben dadurch von seinen Nachbarländern unterscheidet. Urteile wie dieses stärken Israel wirkungsvoller, als unreflektierte Aussagen des Premiers oder seiner fanatischen Anhänger.“
Israel darf nicht selbstgefällig werden
Auch The Times glaubt, dass es für Israel wichtig ist, dass sich der vielerorts als Held gefeierte Soldat vor Gericht verantworten musste:
„Das Urteil des Militärgerichtes hat die Risse in einer Gesellschaft entblößt, die auf besondere Art und Weise einen Kompromiss zwischen Sicherheit auf der einen und persönlicher Freiheit auf der anderen Seite aushandeln muss. ... Israel sieht sein Existenzrecht wie keine andere Demokratie bedroht, aber es darf nicht aufhören, sich selbst infrage zu stellen. Zu viele israelische Araber werden als Bürger zweiter Klasse behandelt. Egal, welcher Fortschritt in Richtung eines Friedens gemacht wird, das Land muss sich Fragen stellen: Was für eine Demokratie möchte es sein? Wie integrativ? Wie repräsentativ für nicht-jüdische Minderheiten? Israels Demokratie ist bewundernswert und einzigartig in der Region, aber sie darf nicht selbstgefällig sein.“