Obama begnadigt Chelsea Manning
Der scheidende US-Präsident Obama hat die Haftstrafe für die Whistleblowerin Chelsea Manning verkürzt: Statt im Jahr 2045 kommt sie bereits im Mai frei. Sie war 2013 wegen der Weitergabe von US-Militärdokumenten über den Irak-Krieg an Wikileaks zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Triumph der Gerechtigkeit oder der Naivität?
Gerechtigkeit siegt über Rache
Die Strafmilderung für Manning ist ein Zeichen der Stärke der USA, lobt The Times:
„Chelsea Manning verdiente die Anklage. Was sie tat, war eindeutig illegal und zumindest verbrecherisch unbesonnen. Sie konnte nicht gewährleisten, dass Informationen über Agenten und Dissidenten nicht über den rücksichtslosen [Wikileaks-Sprecher] Julian Assange an übel gesonnene und undemokratische Regierungen weitergegeben werden. ... Die Botschaft der Strafmilderung ist, dass wir an Gerechtigkeit, aber nicht an Rache glauben. Und dass wir so viel Größe, Zuversicht, Güte und Sicherheit besitzen, dass wir das tun können. Sollen doch Assange in seinem kleinen Stückchen Ecuador [in der Botschaft des Landes in London] und der Whistleblower Edward Snowden in seinem verwanzten russischen Schlupfloch daran zu knabbern haben, wie viel besser das von ihnen so heftig kritisierte Amerika ist als jene Orte, an die sie sich zurückgezogen haben.“
Hut ab vor Manning!
Die Begnadigung Mannings ist eine gute Entscheidung, denn die Whistleblowerin hat Herausragendes geleistet, lobt Aftonbladet:
„Die Regierung Bush wollte den Krieg im Irak als eine Befreiungsaktion und einen modernen, 'klinisch sauberen' Krieg darstellen. Zivile Opfer passten nicht in dieses Bild. Erst 2010 erfuhr die Welt, dank der Whistleblowerin Manning, dass mindestens 60 Prozent der 109.000 Toten, die das US-Militär im Irak registriert hatte, Zivilisten waren. Das waren weitaus mehr als die US-Regierung zuvor angegeben hatte. Das Erschütterndste in Mannings Material war ein Video, das zeigte, wie amerikanische Soldaten in Bagdad ohne jeden Anlass zwölf irakische Zivilisten auf offener Straße töteten. ... Ohne Chelsea Manning wüssten wir noch weniger darüber, was im Irak wirklich passiert ist. Die Gefahr neuer Übergriffe andernorts wäre dann vermutlich größer gewesen.“
Naives Geschenk an die Linken
Mit der Begnadigung von Chelsea Manning hat Obama den Demokraten einen Bärendienst erwiesen, führt Die Welt aus:
„Erreichen wird er damit vor allem eines: Viele Amerikaner noch stärker und nachhaltig von seinen Demokraten abstoßen. Spürt Obama nicht, wie weit er sich von der breiten Mitte seines Landes entfernt hat, für die Hochverrat nicht erst angesichts terroristischer Bedrohung eben kein Dummerjungenstreich ist? Es geht hier nicht ums Äpfel-Klauen. Und doch gibt es bei den US-Demokraten einen linken Flügel, für den Manning eine Art Märtyrerstatus besitzt. Das Geschenk der Begnadigung geht also nicht nur an Manning, es geht vor allem an die linken Parteifreunde. Ein Akt niedlicher Naivität, den man einem US-Präsidenten kaum zugetraut hätte.“
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