Bekommt der Frieden in Syrien eine Chance?
Die zweitägigen Syrien-Verhandlungen in Astana sind offenbar ohne Durchbruch beendet worden. Russland, die Türkei und Iran würden versuchen, die brüchige Waffenruhe zu festigen, hieß es in der Abschlusserklärung. Die Gespräche sollen Anfang Februar in Genf fortgesetzt werden. Kommentatoren erklären, unter welchen Rahmenbedingungen sie eine Lösung des Syrien-Konflikts für möglich halten.
Direkte Gespräche der Kriegsparteien sind nötig
Was in Genf anders laufen muss als in Astana, erklärt Helsingin Sanomat:
„Schon die Rahmenbedingungen [der Konferenz dieser Woche] waren eine Herausforderung. Die Rebellen haben direkten Gesprächen mit der Regierung nicht zugestimmt, weil die Truppen der Regierung und die sie unterstützenden schiitischen Milizen des Iran weiterhin die Gebiete der Rebellen bombardieren. … Russland bemüht sich, vom Kriegsteilnehmer zum Friedensmittler zu werden. Die Rebellen betrachten Russland mit Recht solange mit Skepsis, wie das Land die syrische Regierung militärisch unterstützt. … Im Februar sollen die Friedensverhandlungen unter Vermittlung der UN in Genf weitergehen. Hoffentlich sind die Kriegsparteien dann wenigstens dazu bereit, sich an einen Tisch zu setzen. Damit würden sie mehr Verantwortung für das Ergebnis übernehmen und könnten es als eigenes, nicht von außen diktiertes annehmen.“
Trump muss Kurden-Unterstützung beenden
Astana war ein wichtiger Schritt hin zu einer Lösung in Syrien, doch als nächstes muss Washington seine Allianz mit der kurdischen PYD aufkündigen, betont die regierungstreue Daily Sabah:
„So wie die IS-Miliz töten auch PKK und PYD Zivilisten, verhaften sie Kurden, die kein Parteimitglied sind, benutzen sie Kindersoldaten und etablieren sie Kantone, womit sie die territoriale Integrität Syriens verletzen. Wenn wir also über die global anerkannte Souveränität der Syrer sprechen, müssen wir auch PYD und YPG erwähnen, die zu so gewalttätigen Methoden wie Genoziden greifen, um die demographische Struktur zu ändern. Diesbezüglich beobachten wir neugierig das Schicksal von PYD und YPG in der neuen Ära unter Donald Trump - denn bisher agierten sie mit der offenkundigen politischen und logistischen Unterstützung der Obama-Regierung. Wenn Trump nicht die gleichen Fehler wie Obama begeht und mit den Verbündeten zusammenarbeitet, die die USA schon mehr als ein halbes Jahrhundert lang haben, werden im Nahen Osten alle Parteien gewinnen.“
Moskau als Vermittler in der muslimischen Welt
Die russische Regierung erweist sich zunehmend als Vermittler zwischen Sunniten und Schiiten, kommentiert Il Sole 24 Ore:
„Putins Russland wurde bei den Syriengesprächen in Astana große Anerkennung zuteil, selbst seitens der islamistischen Gruppen, die ihre Niederlage dem Eingreifen Moskaus in den Syrien-Krieg an der Seite Assads zu verdanken haben. Die Islamisten hoffen, dass Russland ihre Interessen gegenüber Assad und seinem Verbündeten Iran garantiert. ... Denn der Iran ist der wahre Sieger eines Stellvertreterkriegs, der von der sunnitischen Front der Türkei und den Golfmonarchien gegen Assad angezettelt wurde, sich jedoch vor allem gegen den Einfluss der schiitischen Islamischen Republik in der Region richtete. In Astana positioniert sich Russland neu, auch wenn es Assad weiter unterstützt, indem es versucht, der sunnitischen Welt entgegen zu kommen: Die Russen haben bereits das Ägypten von al-Sisi auf ihrer Seite, doch streben die Russen nun auch gute Beziehungen mit den Golfmonarchien an.“
Russlands Vorstoß unterstützen
Moskaus diplomatische Initiative birgt Chancen auf eine Lösung des Syrienkonflikts, analysiert Le Monde:
„Nach dem Gipfel in Astana, wo vor allem militärische Fragen auf der Tagesordnung standen, wird die Aufgabe für Genf wohl noch schwieriger. Dort wird es im Februar um die Machtaufteilung und den politischen Übergangsprozess gehen, wovon das syrische Regime absolut nichts wissen will. Die westlichen und arabischen Länder, die beim Treffen in Astana unverhohlen auf die billigen Plätze verbannt wurden, müssen Moskau nun bei seinem diplomatischen Unternehmen unterstützen. Russland erweist sich in den Verhandlungen derweil als weniger eindeutig und brutal als bei seinem militärischen Eingriff. Es gilt nun, die Gräben der Vergangenheit zu überwinden. Das syrische Regime muss daran gehindert werden, erneut jegliche Chance auf eine Beendigung des Konflikts zu sabotieren, indem es wie gewohnt die verschiedenen Parteien gegeneinander aufbringt.“
Alles hängt von Putin ab
Putin hat es in der Hand, ob in Astana die Weichen für ein Ende des Syrien-Kriegs gestellt werden können, analysiert der Deutschlandfunk:
„An ihm ist ... der Versuch der Opposition, Assad mit militärischen Mitteln aus dem Amt zu jagen, gescheitert. Persönlich liegt Putin nichts an diesem Mann; aber der Kreml-Chef will Assads Regime retten - damit Syrien ein Verbündeter im Nahen Osten bleibt. Weil Russlands Militäreinsatz in Syrien aber sehr teuer ist, scheint Putin nun nach einem politischen Ende für den Konflikt zu suchen. ... Putin will mit den Gesprächen die brüchige Feuerpause stärken. Dadurch soll ein Wiedereinstieg in einen politischen Verhandlungsprozess möglich werden, kommenden Monat in Genf, unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. … Er muss also sicherstellen, dass sich Assad mehr als bisher an die Feuerpause hält. Den nötigen Einfluss hat Putin - denn ohne die Unterstützung Russlands und anderer ausländischer Mächte wäre Assad sehr schnell am Ende.“
Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt
Die Rahmenbedingungen der Konferenz sind alles andere als günstig, dennoch hoffen die Salzburger Nachrichten, dass etwas erreicht wird:
„Viele wichtige Akteure fehlen. Mehrere Rebellenverbände blieben fern, die Teilnahme der kampfstarken kurdischen Milizen scheiterte an der Türkei, die Iraner wollten keine amerikanischen Unterhändler sehen. Die USA verzichteten aber auch so. ... Es ist ein Wirrwarr paralleler, sich streifender, aufeinanderprallender Interessen. Ankara möchte sich als Regionalmacht zeigen, ohne die Europa seine Flüchtlingsprobleme nicht lösen kann. Russland will vor allem Donald Trump beeindrucken - und endlich die Ukraine-Sanktionen loswerden. Diese Verhandlungsrunde strotzt vor Ambitionen, Widersprüchen und Lücken. Aber sollte ein stabilerer Waffenstillstand herauskommen, hat Astana mehr erreicht als alle Syrien-Friedensgespräche zuvor.“
Kein Frieden ohne Vertrauen
In Astana geht es zuvorderst darum, eine Vertrauensbasis zu schaffen, erklärt Savon Sanomat:
„Bei den jetzigen Gesprächen ist das wichtigste und in der Praxis auch einzige Ziel ein Waffenstillstand. Die wirklichen Friedensverhandlungen werden im Februar in Genf fortgesetzt. … Der Weg zum dauerhaften Frieden setzt Vertrauen voraus. Dieses entsteht nicht durch bloßes Reden. Nötig sind ehrliche Taten, etwas Eigenes muss zum Vorteil des Anderen aufgeben werden. Die Sorge, dass die erfahrenen Unterhändler der Regierung die unerfahrenen Führer der Aufständischen dazu bringen, ein schlechtes Abkommen zu akzeptieren, ist ein Zeichen tiefen Misstrauens. Gerüchten zufolge ist ein Abkommen in Vorbereitung, wonach Syrien in informelle Einflusszonen aufgeteilt werden soll. Dies könnte ein erster Schritt in Richtung Vertrauen sein, bringt Syrien aber sicherlich noch keinen dauerhaften Frieden.“