Doch ein Spitzel? Gutachten belastet Lech Wałęsa
Lech Wałęsa hat nach neuesten Erkenntnissen in den 1970er Jahren tatsächlich als Spitzel für die polnische Staatssicherheit gearbeitet. Laut einem Gutachten des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) ist seine Handschrift auf Stasi-Dokumenten zweifelsfrei zu erkennen. Wałęsa bestreitet die Echtheit der Papiere. Wie sehr ist das Ansehen des ehemaligen Solidarność-Führers und Nationalhelden angekratzt?
Niemand sieht den realen Menschen
Es ist traurig, dass Lech Wałęsa in Polen immer nur schwarz oder weiß gesehen wird, bedauert Dennik N:
„Die Aussagen der Stasi-Unterlagenbehörde lassen sich im Zusammenhang sehen mit dem Kampf der derzeitigen Regierung gegen all jene, die nicht an ihrer Seite stehen. ... Andere Interpretationen sehen einen Wałęsa, der vom Kämpfer gegen den Kommunismus zum Präsidenten wurde und sich dort mit Ex-Kommunisten und früheren Stasi-Leuten umgab. ... Das ist bedauerlich, weil so aus realen Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen entweder nur unanfechtbare Helden oder eindeutige Bösewichte werden. Selbst wenn Wałęsa wissentlich mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammengearbeitet haben sollte - er hätte nicht nur diese Vergangenheit. Er hätte auch die Vergangenheit des Streikführers auf der Danziger Werft, der sich außerordentlich verdient gemacht hat um freie Wahlen und den friedlichen Machtübergang. Einen von zwei Aspekten zu unterschlagen, ist nicht fair.“
Wałęsa muss wahre Größe zeigen
Wałęsa sollte zu seiner Spitzeltätigkeit stehen, findet Bogusław Chrabota von der Rzeczpospolita:
„Jetzt, ein halbes Jahrhundert später, kann man natürlich leicht urteilen. Es ist einfach, von jemandem zu verlangen, dass er sich wie ein Held und ohne Tadel hätte benehmen müssen. ... Allerdings waren diese Zeiten einfach ungewöhnlich brutal. Das System hat bewirkt, dass man sich selbst oft kriminell benommen hat. ... Doch habe ich gegenüber Wałęsa trotzdem so meine Bedenken. Ich kritisiere ihn dafür, dass er Ermittlungen zufolge bewusst seine Akte 'Bolek' [Wałęsas mutmaßlicher Deckname] vernichtet hat. Und noch mehr mache ich ihm zum Vorwurf, dass er die Realität einfach nicht akzeptieren kann. Er versteht schlichtweg nicht, dass jemand, der tatsächlich Größe hat, letztlich gar nicht angreifbar ist. ... Wałęsa hat sein Denkmal - unabhängig davon, ob er in der Vergangenheit mal Schwächen gezeigt hat.“