Konflikt mit Nordkorea spitzt sich zu
Pjöngjang hat am Donnerstag mit einem Präventivschlag gegen die USA gedroht. Am Wochenende hatte Nordkorea bereits einen Raketentest durchgeführt, der allerdings scheiterte. UN-Generalsekretär António Guterres rief China, die USA, Japan, Südkorea und Russland dazu auf, eine weitere nordkoreanische Aufrüstung zu verhindern. Wie gefährlich ist diese neue Eskalation?
Trump spielt mit dem Feuer
Vor zehn Tagen hatte das US-Militär gedroht, eine riesige Flotte sei auf dem Weg nach Korea. Nun stellte sich heraus, dass sie tatsächlich an einer Übung in australischen Gewässern teilnahm. El País fühlt sich an das Strategielehrbuch "Die Kunst des Krieges" des antiken chinesischen Autors Sūnzǐ erinnert:
„Eine mächtige, vom Flugzeugträger Carl Vinson angeführte Flotte der US-Marine war zehn Tage lang nicht dort, wo wir alle dachten, also vor Nordkorea. Die Carl Vinson allein beherbergt mehr Kriegsflugzeuge als die Luftwaffen der meisten Staaten und die Begleitschiffe führen ein Raketenarsenal mit sich, von dem man dasselbe sagen kann. ... In der Ära der sofortigen Nachrichtenübertragung ist es Washington also gelungen, ein mächtiges Kriegskontingent tagelang zu verstecken. Ein Geheimnis, in das Tausende Personen eingeweiht waren. Trump hat damit in seine Taktik ein neues Element eingeführt: die Täuschung. So weit, so gut. Aber irgendjemand in Washington sollte ihn daran erinnern, wovon Sūnzǐ sprach: vom Krieg.“
Peking wird Washington nicht beispringen
Trump will erreichen, dass Peking Nordkorea unter Druck setzt, erkennt Revista 22. Doch diese Strategie werde aus zwei Gründen nicht aufgehen:
„Vor allem weil Pjöngjang in Hinblick auf seine Nuklearwaffen keinen Schritt zurückweichen wird. Die Dynastie hält diese für ihr eigenes Überleben schließlich für existenziell. Das Regime hat anlässlich eines Raketentests in einer offiziellen Pressemitteilung im Januar 2017 einen deutlichen Hinweis auf das Schicksal von Muammar al-Gaddafi und Saddam Hussein gegeben, die wegen des Verzichts auf atomare Abschreckung ihre Macht verloren. Kim Jong-un wird auf diese Abschreckung nicht verzichten. … Und China ist zwar mit Pjöngjangs aktuellem Diktator nicht einverstanden, sieht aber in Nordkorea einen 'nützlichen Krawallmacher', der Amerika und Japan verunsichert und Südkorea permanent in Schach hält und der ihm damit einen größeren politischen Spielraum ermöglicht, um den amerikanischen Einfluss in Asien allmählich zu beseitigen.“
Trump will von Scheitern an Heimatfront ablenken
Die neuerdings interventionistische Außenpolitik des US-Präsidenten ist vor allem innenpolitisch motiviert, mutmaßt The Irish Independent:
„Das sind wahrlich gefährliche Zeiten für die ganze Welt. Präsident Trumps bestimmte Haltung stellt eine radikale Abkehr von seinen Wahlkampfversprechen und von Erklärungen nach seiner Amtsübernahme am 20. Januar dar. In deutlichem Widerspruch zu seinem Motto 'America first' gab er zuletzt in Afghanistan und im Jemen den Scharfmacher. In Syrien ordnete er einen Raketenangriff an. Für viele ist Trumps neu entdecktes Interesse an der Weltpolitik beruhigend. Doch seine Beweggründe erscheinen eher fragwürdig. Könnte er in zynischer Weise versuchen, seinen Absturz in den Umfragen daheim zu stoppen, indem er im Ausland Härte zeigt? Viele von uns glauben, dass er genau das tut.“
Atombombe kann Kim Jong-un nicht ewig schützen
Für Kim Jong-un stellen die Atomwaffen eine Machtgarantie dar, die nun kippen könnte, analysiert El Mundo:
„Für die De-facto-Diktatur dient das Vorzeigen dieser tödlichen Technologie ausschließlich einem Ziel: die Macht zu erhalten. Das Regime in Pjöngjang weiß, dass es ohne diese große Waffe schon lange gefallen wäre. Und so wie sich die Dinge im vergangenen Jahrzehnt entwickelt haben - einschließlich der Invasion im Irak und dem Sturz von Saddam Hussein - hat sich das nordkoreanische Regime nur noch weiter eingeigelt und gleichzeitig auf Hochtouren daran gearbeitet, das Atomprogramm voranzutreiben. Doch das Drahtseil lässt sich nicht unendlich weiter spannen, ohne irgendwann zu reißen. Und in einer so zerbrechlichen internationalen Weltordnung kann jeder neue Zug eine unkontrollierte Entwicklung auslösen. Die neue Strategie der Regierung Trump, die auf Macht und Wiederbewaffnung basiert, scheint unvereinbar mit der bisherigen internationalen Diplomatie der Geduld gegenüber Pjöngjang.“
Niemand will Nordkorea verschwinden sehen
Ein Ende Nordkoreas als Staatsgebilde liegt aber nicht im Interesse der regionalen Mächte, erinnert Diário de Notícias:
„So sehr der junge Kim Jong-un eine Bedrohung darstellen, das nordkoreanische Atomprogramm beunruhigen und die großtuerische Rhetorik aus Pjöngjang nerven mag: Es wäre nicht im Interesse der regionalen Mächte, Nordkorea von der Landkarte zu löschen - nicht einmal in dem von Südkorea. Angenommen, dass das Kim-Regime verschwindet und die koreanische Wiedervereinigung unter der Schirmherrschaft des Südens stattfindet: Chinesen und Russen wären auf einmal mit US-Truppen an ihren Grenzen konfrontiert - und Japan müsste zusehen, wie ein historischer Rivale [Korea] sein Gebiet verdoppelt und an wirtschaftlicher Stärke gewinnt. ... Das logische Ziel des internationalen Drucks muss es somit sein, das nordkoreanische Regime zur Einsicht zu zwingen.“