Ernüchterung nach Trumps Europareise
Als "historisch" hat US-Präsident Donald Trump seine einwöchige Europareise bezeichnet. Als konfrontativ wurde er von vielen seiner europäischen Partner wahrgenommen. Beim Nato-Gipfel in Brüssel vermied er es, sich zum Artikel 5, dem Bündnisfall, zu bekennen. Auf dem G7-Gipfel in Taormina blieb er kompromisslos, insbesondere beim Klimaschutz. Welche Lehren sind aus Trumps Besuch zu ziehen?
Ein Bruch mit der Vergangenheit
Die erste Auslandsreise des US-Präsidenten war aus Sicht des NRC Handelsblad ernüchternd:
„Es hat sich bestätigt, was sich schon in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft abgezeichnet hatte. Trump will mit Autokraten Geschäfte machen und hat wenig Respekt für Europäer. Er sucht die Konfrontation und nicht die gemeinsame Führung. Er verfolgt Eigeninteressen und zeigt wenig Verständnis für gemeinsame Werte. ... Wir sahen: Trump First. America First. Es war die Demonstration einer neuen amerikanischen Agenda und eines neues Stils. Jeder, der noch die Illusion hatte, dass Trump nach ein paar Monaten im Amt zur Besinnung kommt, dass er einsieht, wie wertvoll die alten Verbündeten der USA sind und wie sinnvoll es sein kann, mit ihnen gemeinsam zu handeln, wurde eines Besseren belehrt. Jeder konnte mit eigenen Augen sehen: Trump ist ein Bruch mit der Vergangenheit. Und darauf muss die Welt eine Antwort finden.“
Zum Dialog gibt es keine Alternative
Trotz Trumps konfrontativen Auftretens auf den Gipfeln von Nato und G7 muss man den Dialog mit ihm weiterführen, meint Der Bund:
„Dem Egozentriker den Dialog zu verweigern, hiesse, ihn noch aufzuwerten und seinen Furor zu befeuern. Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als im Gespräch zu bleiben. Das ist kein Plädoyer dafür, sich an Trump zu gewöhnen, Rüpeleien, Banalität und Sexismus hinzunehmen oder, etwa in der Klimapolitik, einfach stehen zu bleiben. Im Einzelfall sind sogar sehr viel deutlichere Widerworte nötig. Zugleich heisst es aber, anzuerkennen, dass die Existenz dieses US-Präsidenten real ist. Statt auf eine Amtsenthebung oder andere Wunder zu hoffen, sollten sich die US-Partner Trumps Spieler-Gen, seine Gefallsucht und seinen Wunsch nach raschen Erfolgen zunutze machen. Dass das geht, haben die Chinesen bewiesen, die vom Wirtschaftsstaatsfeind Nummer eins über Nacht zum Partner im Nordkorea-Konflikt mutierten.“
Das Modell G7 hat ausgedient
Nach dem schwierigen Gipfeltreffen in Taormina stellt Zeit Online das Format G7 insgesamt in Frage:
„Zur Erinnerung: Die G7 waren einmal eine Art Weltregierung, als die alten Industrienationen in der Welt noch den Ton angaben. Als sich die globalen Kräfteverhältnisse mit dem Aufstieg der Schwellenländer in Asien und Lateinamerika verschoben, wurde die G20 gegründet, in der die neuen Mächte vertreten sind. Die G7 behielt man bei, als informelles Koordinationsgremium der Länder, die sich dem Westen zugehörig fühlen. … Je länger Trump regiert, desto deutlicher wird, dass die Vereinigten Staaten von Amerika aus europäischer Sicht womöglich bald nur noch ein Land sind, mit dem man je nach Problemlage innerhalb der G20 lose Allianzen eingeht. So wie es heute mit den Chinesen gehandhabt wird, die beim Klima sehr engagiert sind. Es bräuchte dann keine vorherige Abstimmung im Kreis der G7 und es bräuchte auch die G7 nicht mehr.“
Zu Hause wird es für Trump erst richtig schwer
Für Trump waren der Nato-Gipfel und das G7-Treffen im Grunde eine willkommene Verschnaufpause, kommentiert Hospodářské noviny:
„Sieht man unter anderem von den nur mäßigen Ergebnissen des G7-Gipfels ab, präsentierte sich Trump als Staatsmann. In den neun Tagen im Ausland stellte er sich aber kein einziges Mal den Fragen der Journalisten. Der Grund dafür lag zu Hause, im Skandal um die Vorwahl-Beziehungen von Trumps Leuten mit dem Kreml. Während der Reise kam heraus, dass Trumps Schwiegersohn und Schlüsselberater letzten Dezember Treffen mit den Russen vereinbarte - unter der Bedingung, dass sie in der russischen Botschaft stattfinden, die nicht vom FBI abgehört werden kann. Trumps Mandat zerbröselt unter dem Gewicht des Verdachts, dass er der Öffentlichkeit die Wahrheit über seinen möglichen Pakt mit Putin verschweigt. Wenn er die Fragen dazu weiter ignoriert, wird sich der Verdacht nur verstärken.“
Noch ein Stehgreif-Gipfel à la Trump
Auch weil dies Trumps erster G7-Gipfel ist, glaubt La Stampa kaum an einen Erfolg:
„Die Begegnungen der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten verlaufen traditionsgemäß mit Vorverhandlungen, in denen schon ein Abschlussdokument entworfen wird, bevor der Gipfel offiziell beginnt. Der heute unter italienischem Vorsitz beginnende Gipfel ist der erste einer Reihe von ‚improvisierten Zusammenkünften’ wie sie die Ära Trump charakterisieren. Den Freihandel auf nachhaltige Weise zu fördern, gilt normalerweise als wesentliche Voraussetzung für Wachstum. Trump sieht das anders. ... Die Amerikaner sagen, dass die Globalisierung sie benachteiligt hat. Sie wollen die Notbremse ziehen - ein Gedanke, der auch dem neugewählten Macron nicht zu missfallen scheint, der sich als größerer Trump-Anhänger entpuppt als erwartet. ... Auch in der Klimafrage hat der G7 keine Lösungen in der Tasche, weil sich das Weiße Haus weigert, die Vereinbarungen von Paris umzusetzen. Der US-Präsident scheint auch nicht gewillt, echte Fortschritte in der Migrationspolitik machen zu wollen.“
China profitiert von der Schwäche des Westens
In geopolitisch schwierigen Zeiten könnten Länder wie China die Schwäche der G7-Staaten und des Westens ausnutzen, fürchtet Jyllands-Posten:
„China hat die Schwäche der G7 erkannt. Eine Schwäche, die mit dem Brexit begann und durch die Präsidentschaftswahlen in den USA und Frankreich wuchs. Infolgedessen versucht Peking nun zielstrebig, in der Weltwirtschaft die Führungsposition zu übernehmen. Die Art und Weise, wie Trump und sein Team ihre Beziehungen zu Russland gestalten, schafft unter den anderen G7-Staaten Verwirrung darüber, wie nun der weitere Kurs gegenüber Präsident Putin aussehen soll. Die aktuelle geopolitische Situation sollte eigentlich die G7-Staaten dazu ermutigen, sich über personelle Änderungen in Bezug auf Präsidenten und Regierungschefs hinwegzusetzen. Leider ist zu befürchten, dass der Gipfel in Taormina vielmehr einen Mangel an persönlicher Chemie zwischen den Teilnehmern offenlegen wird. Und dass er damit auch ihre politische Uneinigkeit betont - was die Feinde des Westens nutzen werden.“