Gedanken zum Weltflüchtlingstag
Am internationalen Tag des Flüchtlings am Dienstag waren weltweit mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Diesen dramatischen Dauerzustand darf man sprachlich nicht auf eine vermeintlich vorübergehende Krise reduzieren, warnen Kommentatoren und fordern mehr Verantwortung von den Regierungen.
"Krise" ist ein tödlicher Euphemismus
Es ist verlogen und mörderisch, das Phänomen als vorübergehend darzustellen, warnt der Deutschlandfunk:
„Krise: das suggeriert, dass es irgendwie, irgendwann vorbei geht, dass die Wende zum Guten nahe ist, dass man nur diesen harten Moment aushalten muss, weil es ja bald besser wird. … Zum Beispiel, indem man zweifelhafte Schergen zur libyschen Küstenwache erklärt, sie mit Booten und Waffen ausstattet und sie für Europa die Drecksarbeit machen lässt. Dabei geht es nicht um Dreck, sondern um Menschen. … Angesichts der Lage an vielen Orten auf der Welt ist es normal, dass bei 65 Millionen Menschen auf der Flucht einige von ihnen ihr Heil in Europa suchen. Nicht normal ist allerdings, wie sie zu uns kommen. Nicht normal ist, dass seit Jahresbeginn schon wieder fast 2.000 Menschen auf dem Mittelmeer ertrunken sind. Das kommt, wenn man Migration zur Krise erklärt.“
Flüchtlinge machen die Gesellschaft fit
Die Aufnahme von Fremden spornt ein Land zu Höchstleistungen an, analysiert Gastautorin Nadia Boehlen von Amnesty International in Le Courrier:
„Verbirgt sich hinter der angeblichen Unmöglichkeit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, nicht bei einigen von uns die Angst davor, selbst weniger zu haben? Weniger Reichtum, weniger Arbeit, weniger Wohnungen, eine Schule geringerer Qualität für unsere Kinder? Wenn wir gründlich nachdenken, erkennen wir, dass die mit der Aufnahme und der Integration von Flüchtlingen verbundenen Herausforderungen uns dazu anspornen, nicht nur die Mechanismen zur Inklusion der Verletzlichsten unter uns zu verbessern, sondern auch unsere Schul-, Städte- und Sozialpolitik sowie die öffentliche Verwaltung. Kurzum: Die Aufnahme von Flüchtlingen stimuliert unsere Wettbewerbsfähigkeit!“
Polen muss Verantwortung übernehmen
Polen prangert die Flüchtlingspolitik der EU zwar zurecht an, sollte aber gleichzeitig eine humane Alternative anbieten, mahnt Gość Niedzielny:
„Nur weil man in Brüssel Flüchtlingshilfe mit einer menschenunwürdigen Zwangsverlegung verwechselt, dürfen wir nicht die Tür vor denen verschließe, die vor Krieg geflohen sind und bei uns leben möchten. ... Polen wehrt sich zurecht gegen die Erpressung aus Brüssel. Es begeht aber einen großen Fehler, wenn es sich dabei der Furcht vor den Fremden hingibt. Polen, ein großes Land mit Ambitionen und einer christlichen Tradition, sollte eine humane Alternative zu den EU-Quoten und der Zwangsverlegung anbieten.“