Macron verärgert Visegrád-Staaten
Auf dem EU-Gipfel hat Frankreichs Präsident Macron so manche Teilnehmer mit der Aussage verärgert, Europa sei kein Supermarkt, sondern eine Schicksalsgemeinschaft. Damit zielte er auf die fehlende Bereitschaft ab, Europas Flüchtlingsverteilung mitzutragen. Ein Treffen Macrons mit Vertretern der Visegrád-Gruppe blieb denn auch ergebnislos. Eine heilsame Konfrontation oder der Beginn neuer Spaltungen?
Droht Ungarn und Polen Hausverbot?
Unter dem Duo Merkel/Macron könnte es für die illiberal gesinnten Staaten der EU brenzlig werden, vermutet Politologe László Lengyel in Népszava:
„Die Große Koalition Europas, gebildet vom sozialliberalen Macron und der liberal-konservativen Merkel, ist offenbar entschlossen, Ungarn und Polen aus der EU auszuschließen. ... Vorbei ist die verantwortungslose EU-Politik, wonach illiberalen Ländern gewährt wird, den Rechtsstaat abzubauen und die Grundwerte der EU zu verraten. ... Die EU braucht keine Staaten, die gemeinsame Werte und Interessen infrage stellen und sich zu Autokratien entwickeln. Ungarn trägt rein gar nichts mehr zu Europa bei! ... In einem ersten Schritt dürfte Ungarns Regierungspartei aus der [Europäischen Volkspartei] EVP ausgeschlossen werden. ... In einem zweiten Schritt könnte man den EU-Geldhahn abdrehen und schließlich könnte Ungarn sein Stimmrecht verlieren.“
Nichts wäre schlimmer als verlogene Harmonie
Macron hat zu Recht die Eintracht auf dem Treffen gestört, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Polens Regierung behauptet, es gebe gar keinen Wertekonflikt. Die Werte würden eben nur unterschiedlich interpretiert. Das erinnert nicht nur zufällig an den Versuch im Hause Trump, Lügen neu zu verpacken und als 'alternative Fakten' unters Volk zu bringen. Die Antwort der Europäer muss daher klar sein: Nein, die Werte der EU sind keine amorphe Masse. Sie werden benötigt als tragendes Fundament. Die Union ist kein Staat und sie hat auch kein Staatsvolk. Sie verspricht gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzen, aber dieses Versprechen reicht nicht aus, um dieses komplexe Gebilde zusammenzuhalten. Dazu bedarf es der Gemeinsamkeit der Demokratien und Rechtsstaaten. Die Europäische Union wird nicht an Streit zugrunde gehen. Tödlich wäre verlogene Harmonie.“
Mehrheit denkt wie die Visegrád-Gruppe
Pravda dagegen findet, dass die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Visegrádstaaten an der Realität vorbeigeht:
„Wie eine aktuelle Umfrage des britischen Forschungsinstituts Chatham House zeigt, unterscheiden sich die Ansichten der europäischen Eliten von denen der Öffentlichkeit. Während 56 Prozent der Bürger aus zehn EU-Ländern die Einwanderung überwiegend muslimischer Flüchtlinge stoppen wollen, wollen das nur 32 Prozent der Eliten. Die Frage ist: Wie lange kann man sich gegen die Meinung der Wähler stellen und die Gesellschaft spalten? Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass man über sie hinweg regiert, treibt man sie in die Arme der Extremisten. Die zurückhaltende Einstellung zu muslimischen Migranten hat Gründe.“