Werden EU-Ausländer Bürger zweiter Klasse?
Die britische Regierung hat am Montag ihren Plan für die derzeit 3,2 Millionen EU-Ausländer nach dem Brexit vorgestellt. Diejenigen, die bereits mehr als fünf Jahre in Großbritannien leben, können eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis mit Zugang zu Bildung, Renten- und Gesundheitssystem beantragen. Alle anderen erhalten zunächst einen begrenzten Aufenthaltstitel. Nicht alle Medien halten die Pläne für ausgereift.
Erstmal das Kleingedruckte lesen
Die EU-Kommission hat die von May aufgestellten Regeln als unzureichend kritisiert. La Vanguardia wertet das als psychologischen und verhandlungstechnischen Schachzug:
„Es zeigt, dass Brüssel keine Eile hat und weder faulen Versprechungen noch guten Wünschen und großen Leitsätzen traut, ohne vorher das Kleingedruckte zu lesen. Der EU wird immer wieder vorgeworfen, sich zu wenig um das Wohl der Bürger zu kümmern und in einer Blase zu leben. Jetzt will sie beweisen, dass das nicht so ist. Bevor man zum für Mays Regierung wichtigsten Thema übergeht, den Regeln der künftigen Handelsbeziehungen, will Brüssel sicherstellen, dass die EU-Bürger in Großbritannien nicht zu Bürgern zweiter Klasse werden.“
Ein vernünftiger Vorschlag
Die Gefahr für die Personenfreizügigkeit durch den Brexit sieht Le Quotidien gebannt:
„Noch vor wenigen Monaten war Theresa Mays Ton deutlich härter. Doch das hat sich nun geändert. Die katastrophale Wahl erlaubt es den Briten nicht länger, ihre Machtposition beizubehalten. Die drohenden Austrittszahlungen in Höhe von mehreren Milliarden sowie die Komplexität der Ausstiegsprozedur, die größer ist als erwartet, haben den Eifer der emsigsten Brexit-Verfechter gebremst. Die Personenfreizügigkeit wird so schnell nicht eingeschränkt. ... Nun sieht es so aus, als stimmten alle Beteiligten für eine vernünftige Lösung. ... Vor einem Jahr dachte man, der Brexit bedeute das Ende der EU. Nach dieser Prüfung steht sie nun reifer und gefestigter da.“
Wo bleiben Garantien für britische Bürger?
Theresa May fordert zu Recht Gegenseitigkeit, meint The Daily Telegraph:
„May wurde kritisiert, weil sie nicht versprechen wollte, die Rechte von drei Millionen EU-Bürgern einseitig zu garantieren. Doch die Regierungschefin besteht zu Recht darauf, dass es wechselseitige Abmachungen für die mehr als eine Million britischen Staatsangehörigen auf dem Kontinent geben muss, bevor sie ihre Regierung unwiderrufliche Entscheidungen treffen lässt. Hier geht es nicht darum, EU-Angehörige, die in gutem Glauben eingereist sind, als Faustpfand zu benutzen. Es geht darum, den rechtlichen Status von Briten zu sichern, die ebenfalls in gutem Glauben ins Ausland gezogen sind und dort leben.“