Angst vor Eskalation der Nordkorea-Krise
Die USA erwägen, militärisch gegen Nordkorea vorzugehen, sollte das Land sein umstrittenes Atomprogramm nicht aufgeben. Man bevorzuge aber eine diplomatische Lösung, erklärte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley. Die USA wollen in Kürze eine Resolution für verschärfte Sanktionen in den UN-Sicherheitsrat einbringen. Europas Presse diskutiert, ob die USA den richtigen Weg einschlagen.
Wirtschaftliche Öffnung beste Waffe gegen Kim
Die geeignetste Maßnahme gegen das Regime von Kim Jong-un wurde noch gar nicht versucht, meint The Guardian:
„Die wirksamste Waffe ist in Wahrheit das klientelkapitalistische Wirtschaftssystem Südkoreas, das dem chinesischen immer ähnlicher wird. Wenn so ein Wirtschaftssystem über Deeskalation und Verhandlungen auf Nordkorea losgelassen würde, um Pjöngjang zu 'helfen', dann würden sich Kims Generäle und Familie sogleich auf den Futtertrog der Gier stürzen. Möglicherweise würde sich Kim kein weiteres Jahr an der Macht halten. Raketen könnten ein solches Ziel nie erreichen. Anders gesagt: In Nordkorea wie in fast allen anderen Ländern sind wirtschaftliche Maßnahmen die wirksamste Form der Sanktion. Gemeint ist aber das genaue Gegenteil von klassischen Wirtschaftssanktionen: eine Art sanktionierter Wohlstand. Doch dafür wäre eine völlig andere Sprache der Diplomatie nötig.“
Den Weg der nuklearen Abrüstung gehen
Es muss endlich ernsthaft über den Kern des Streits, die Atomwaffen, verhandelt werden, fordert La Repubblica:
„Der Weg der Verhandlungen bleibt schwierig, wenn sich die Amerikaner nicht bereit erklären, Nordkorea innerhalb gewisser Grenzen das Recht auf den Besitz nuklearer Waffen und Raketen einzuräumen. Doch ist eine Umkehr in der Atomfrage heute schwer vorstellbar. Der Prozess kann nur in seiner Anfangsphase gestoppt werden (wie bei der Einigung mit dem Iran). Ist eine gewisse Schwelle überschritten, ist perspektivisch nur noch der Weg einer allgemeinen nuklearen Abrüstung möglich. Ein schöner Traum, der nicht ad acta gelegt werden sollte. Reagan und Gorbatschow träumten ihn bei ihrer Begegnung in Reykjavik 1986, und Obama griff ihn 2009 bei seiner Rede in Prag wieder auf. Wir alle zahlen den Preis dafür, dass wir bei der nuklearen Abrüstung kein Stück vorangekommen sind.“
Trump steht alleine da
El Periódico de Catalunya sieht US-Präsident Trump isoliert:
„Der unberechenbare Kim Jong-un hat es mit einem ebenso unberechenbaren und politisch unerfahrenen Gegenspieler zu tun. Auf die vorvorige Provokation hatte Donald Trump mit der Entsendung von Kriegsschiffen reagiert, jetzt mit einer gemeinsamen Militärübung mit Südkorea. Dabei weiß er, wie einsam er dasteht. Er dachte, er könne sich auf Xi Jiping verlassen, aber Peking und Moskau haben ihn in die Zwickmühle genommen. China fordert das sofortige Ende nuklearer Experimente in Nordkorea und militärischer Manöver seitens der USA und Südkoreas. Russland fordert die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel, des Nordens und des Südens. Diese Forderungen schwächen Trump, während die Bedrohung des größenwahnsinnigen Tyrannen bleibt.“
Lässt Trump sich provozieren?
Trump könnte auf Pjöngjangs Bluff hereinfallen, fürchtet Les Echos:
„Der letzte stalinistische Staat der Welt hat noch nicht die nötige Technologie, um einen nuklearen Miniatursprengkopf auf einer Rakete anzubringen, die die USA treffen könnte. Das Dienstag abgeschossene Gerät könnte höchstens Alaska erreichen. Nordkorea hat aber mehrere Atomtests durchgeführt, um seine Fähigkeit zum Bau der Superwaffe zu beweisen. Eine Massenvernichtungswaffe, die es dem Schwachen erlaubt, sich auf das Niveau des Starken zu hieven, weil dieser dem Feind mit apokalyptischer Vernichtung drohen kann. … Es besteht das Risiko, dass [Trump] in Nordkoreas Falle tappt und einen Präventivschlag ausführt, was eine Reaktion Pjöngjangs gegen Südkorea auslösen könnte. Es sei denn, China versteht, dass die Zeit davonrinnt und übt echten Druck auf seinen Verbündeten aus.“
China ist der Schlüssel
Trump sollte bei Nordkoreas Schutzmacht China ansetzen und Stärke demonstrieren, empfiehlt die Neue Zürcher Zeitung:
„Kostproben dafür haben die USA in den letzten Tagen durchaus geliefert, etwa mit der Annäherung an Indien, einen strategischen Rivalen Chinas, mit der Bewilligung von Waffenlieferungen an Taiwan und der demonstrativen Fahrt eines amerikanischen Kriegsschiffs durch von China illegal beanspruchte Gewässer im Südchinesischen Meer. Der stärkste Hebel wären jedoch Sanktionen gegen chinesische Banken, die nordkoreanische Gelder waschen und mit Firmen geschäften, die dem kommunistischen Bruderstaat militärisch nutzbare Güter liefern. Setzt Trump hingegen weiterhin vor allem auf leere Worte (und Tweets), so wird er als Präsident in die Geschichte eingehen, unter dem Nordkoreas Atombomben für Amerika erstmals zur konkreten Gefahr wurden.“
Diplomatie statt Sanktionen
Die Gefahr eines Krieges sieht Kainuun Sanomat alarmierend gestiegen – und setzt auf Diplomatie:
„Das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm wurde immer damit gerechtfertigt, dass es der Abschreckung diene und einen Angriff der USA verhindere. Was die USA tun und erklären, untermauert diese Rechtfertigung. Ein Vorschlag, um die Lage auf diplomatischem Wege zu entspannen, ist, Nordkorea zu garantieren, dass es nicht bedroht wird und seine Zukunft gesichert ist. Im Gegenzug müsste Nordkorea Maßnahmen zustimmen, die verhindern, dass es sein Raketenprogramm im Geheimen fortsetzen kann. Alles muss versucht werden. Mit Diplomatie kann man weiter kommen als mit Drohungen oder Sanktionen, wie sie der UN-Sicherheitsrat seit über zehn Jahren gegen Nordkorea verhängt.“