Ist die EU für einen Neustart zu gespalten?
In den Brexit-Verhandlungen ist die EU stark positioniert, die neue Achse Berlin-Paris ist für viele Pro-Europäer ein Grund zur Hoffnung. Dennoch sehen viele Kommentatoren die Krise der EU noch nicht überwunden - und das nicht zuletzt, weil sie einen tiefen Graben zwischen östlichen und westlichen Mitgliedstaaten wahrnehmen.
Junge Osteuropäer nicht enttäuschen
Für L'Obs wäre ein Neustart der EU ein wichtiges Signal für die Bürger in Osteuropa, die den Hochmut ihrer Regierungen dann stoppen können, wenn sie
„in dem europäischen Projekt ein dynamisches und attraktives Gesellschaftsmodell sehen, den Gegenentwurf zu dem sich einmischenden und zentralisierenden Bürokratiemonster, das ihre Regierenden zeichnen. Ein Ost-Exit ist nicht wünschenswert, allein schon weil er die Bürger Mittel- und Osteuropas in einem abgeschotteten Raum mit populistischen Regierungen und ohne Zukunftsperspektiven zurücklassen würde. Verhindert werden kann ein EU-Austritt osteuropäischer Länder insbesondere dadurch, dass dem europäischen Projekt neues Leben eingehaucht wird. Die Zeit ist knapp, aber die jungen Polen, die in den vergangenen Tagen die Bedrohung ihrer Freiheiten zurückgedrängt haben, haben gezeigt, dass sie daran glauben.“
Lagerdenken breitet sich aus
In Ungarn ist eine vernünftige Europa-Debatte bereits unmöglich geworden, beschreibt der Publizist Szilárd István Pap auf dem Meinungsportal Kettős Mérce:
„In diesen Breitengraden hat sich der Diskurs über die EU nach dem Hurra-Optimismus der Neunziger und frühen Nullerjahre zunehmend polarisiert. In fast allen EU-Ländern der Region sind zwei Lager entstanden: das der EU-Skeptiker und das der EU-Befürworter. In Ungarn will die Regierungspartei Fidesz mehr Nationalstaat, die Opposition will mehr Europa. ... Wer sich dem Lagerdenken widersetzt, ist automatisch ein Verräter. Deshalb findet man heute keinen Fidesz-Politiker mehr, der positiv über die EU spricht. Und keinen Oppositionellen, der Brüssel kritisiert. Diese Form von Hysterie macht eine konstruktive Debatte über die EU unmöglich.“
Was gegen Regelbrecher hilft
Zwar kann die EU regelbrechende Mitgliedsstaaten nicht hinauswerfen, sie hat aber ein anderes Druckmittel, analysiert Jutarnji list:
„Die Briten entschieden sich zu gehen, was der EU-Vertrag erlaubt. Nicht erlaubt oder zumindest nicht so einfach ist es dagegen, einen Staat hinauszuwerfen. Weil sich andere osteuropäische Staaten auf die Seite Polens und Ungarns stellen und sie schützen werden, vertiefen sich die Gräben zwischen der 'alten, entwickelten und demokratischen' EU und ihren 'östlichen, heuchlerischen und weniger demokratischen' Mitgliedern. ... Schon lange wird gefordert, den Staaten, die die Werte der EU nicht schätzen, die Mittel zu kürzen. Diese Forderungen werden nun immer lauter.“