Bringt Macron Frieden nach Libyen?
Die libysche Übergangsregierung hat unter Vermittlung von Frankreichs Präsident Macron mit ihrem größten Gegenspieler im Bürgerkrieg eine Waffenruhe ausgehandelt. Seit dem Sturz des Machthabers Gaddafi 2011 herrscht Chaos in Libyen und eine Einigung des gespaltenen Landes gilt als Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Dennoch sind Kommentatoren skeptisch ob der Initiative Macrons.
Keine Kompromisse in Sicht
Zwei der Kriegsparteien, vertreten von Übergangspremier al-Sarradsch und Militärführer Haftar, haben die Waffenruhe ausgehandelt, doch wird dies keine Folgen haben, fürchtet De Telegraaf:
„Es ist mehr als zweifelhaft, ob die beiden Parteien ihre kleinen Königreiche aufgeben wollen. Vor allem al-Sarradsch hat wenig Einfluss auf die Milizen. ... General Haftar kontrolliert den größten Teil des Landes und drohte damit, noch vor Jahresende Tripolis einzunehmen. Der 'neue Gaddafi' ist nicht der Typ, der Macht gerne teilt. ... Er muss außerdem das heutige Abkommen dem widerspenstigen Parlament in Tobruk im Osten des Landes vorlegen, während eine dritte Regierung - in Tripolis - völlig von den Verhandlungen ausgeschlossen war. Das 'historische Abkommen' in Paris war vor allem ein schöner Fototermin für Macron.“
Friedenskurs ohne Risiko
Macron macht sich daran, die Scherben seines Vor-Vorgängers aufzukehren, erinnert Diário de Notícias:
„Die Ironie ist, dass Macron gerade versucht, das zu reparieren, was der frühere Präsident Sarkozy [mit seinem Militäreinsatz 2011 gegen das Gaddafi-Regime] vergeigt hat: die Einheit Libyens, seine Tragfähigkeit als Land. ... Mit der Zusammenführung der beiden rivalisierenden libyschen Politiker, dem international anerkannten Premier Fajes al-Sarradsch und dem Rebellenkommandeur Chalifa Haftar, geht Macron kein großes Risiko ein, denn viel schlimmer kann es in Libyen nicht werden. ... Und falls der Frieden siegen sollte, dann wird sich Macron mit einigen Lorbeeren schmücken können.“
Rom gehört an den Verhandlungstisch
Dass Macron Italien nicht mit ins Boot geholt hat, betrachtet Ouest France als großen Fehler:
„Ohne Mitwirkung Italiens besteht das Risiko, dass die Versprechen al-Sarradschs und Haftars - so lobenswert sie auf dem Papier auch sein mögen - im libyschen Sand verlaufen. Als Sicherheitsrisiko vor den Toren Europas ist die Libyenkrise zu explosiv, als dass man neue Gräben zwischen den Europäern aufreißen darf. Die Flüchtlingskrise hat ein zu großes Ausmaß, als dass man glauben darf, sie durch ein paar Patrouillen im [an Italien grenzenden französischen Département] Alpes-Maritimes lösen zu können. Es sei denn, man will bei der nächsten Wahl in Italien die radikale Rechte begünstigen - oder Berlusconis Auferstehung.“
Einigung dient vor allem Frankreichs Präsidenten
Frankreichs Präsident versteht es, sich zu profilieren, erkennt Il Sole 24 Ore:
„Es liegt auf der Hand, dass das Treffen vor allem Macron dient. ... Es soll das Prestige des Präsidenten stärken, in seiner Rolle als bevorzugter Gesprächspartner für einen Großteil Nordafrikas und der Sahelzone, wo Paris wichtige militärische, wirtschaftliche und finanzielle Interessen hat. ... Die Roadmap für die Waffenruhe, die Wahl 2018 und den Kampf gegen den Handel mit Migranten, all das, was gestern vereinbart wurde, ist nur ein 'Arbeitspapier', kein Abkommen, wie der französische Präsident selbst einräumte. ... In Libyen gibt es keine einfachen Lösungen, mit denen man sich brüsten könnte. Dennoch hat Macron auf publikumswirksame Worte nicht verzichtet. Er sprach vom 'Sieg des Friedens und von einem historischen Moment'.“
Paris und Rom meinen es ernst
Dass die Unterstützung aus Paris und Rom Bewegung in die festgefahrene Situation in Libyen bringt, hofft La Vanguardia:
„Das Treffen endete in einem Waffenstillstandsabkommen, das man mit Vorsicht genießen muss und das erst durch die tatsächliche Umsetzung glaubhaft wird. Ähnliches gilt für die nicht gerade zum Optimismus einladende Vagheit der Übereinkunft 'so bald wie möglich' eine Wahl abzuhalten. Und dennoch, es bewegt sich was in Libyen. ... UN-Unterhändler Ghassan Salamé erwartet eine sehr schwierige Aufgabe. Aber gegenüber seinen Vorgängern hat er einen Vorteil: den entschiedenen Rückhalt von Frankreich und Italien, die aus verschiedenen Gründen die Beruhigung der Lage in Libyen zum vorrangigen Ziel erklärt haben und verhindern wollen, dass sich das Chaos dort vollends festsetzt.“