Streit um weitere Justizreform in Rumänien
In mehreren Städten Rumäniens haben am Sonntagabend Tausende Menschen gegen eine geplante Justizreform demonstriert. Sie kritisieren, dass künftig nicht mehr der Präsident an der Ernennung wichtiger Antikorruptionsstaatsanwälte beteiligt sein soll, sondern ausschließlich Justizministerium und der unabhängige Richterrat CSM. Rumäniens Presse kritisiert die Reformpläne und lobt die Proteste.
Demonstranten sind die wahre Opposition
Die Proteste wurden von Anhängern des Regierungslagers mit den Worten kommentiert, Politik mache man nicht auf der Straße. Doch die Demonstranten sind das einzige Gegengewicht zur herrschenden Elite, erklärt Journalist Florin Negrutiu auf dem Blog republica.ro:
„Der Parlamentarismus, der das Wesen einer Demokratie ist, wird bei uns derzeit von einer herrschenden Kaste angegriffen, die die demokratischen Prinzipien ausnutzt, um ihrem Strafmaß zu entgehen. … Die Reaktion der Straße ist die gesunde Reaktion eines Teils der Gesellschaft auf eine entstehende parlamentarische Diktatur. … Auch ist der Straßenprotest die einzige Opposition, die die Mächtigen stört und ihnen Kopfzerbrechen bereitet. Es ist die einzige Opposition, die sie nicht kontrollieren können.“
Öffentlicher Wettbewerb wäre besser
Wenig begeistert von den Reformvorschlägen zeigt sich die Politologin Alina Mungiu-Pippidi auf dem Blogportal România Curată:
„Theoretisch ist eine Ernennung der Staatsanwälte durch den Richterrat CSM ein Stück weit unabhängiger, als wenn sie durch die Präsidentschaft erfolgt. Doch in der Praxis wäre es viel wichtiger, dass die Auswahl durch einen echten Wettbewerb zustande kommt, in dem sich alle Kandidaten vor dem CSM-Rat öffentlich präsentieren müssen. Solange aber die Auswahl willkürlich bleibt, ist es egal, wer für die Ernennung zuständig ist. Wenn die Ernennung weiterhin politisch beeinflussbar bleibt, warum sollten wir die Präsidentschaft davon ausschließen? Je mehr politische Kräfte hier mitreden, umso größer ist die Chance, dass am Ende ein unparteiischer Kandidat auf den Posten kommt. Und das ist gut so.“
Richterrat ist für Auswahl ungeeignet
Auch Journalistin Bianca Toma sieht die geplante Reform auf dem Blogportal der Tageszeitung Adevărul kritisch:
„Der Richterrat CSM ist noch nicht reif, die Verantwortung für die Ernennung der Generalstaatsanwälte zu übernehmen. Diese wichtige Entscheidung einem Kollektivorgan wie dem CSM zu überlassen, der sich vor niemandem verantworten muss, droht die Ergebnisse der bisherigen Justizreform und des Antikorruptionskampfes zu überschatten. … Übrigens ist die Diskussion nicht neu, es gab sie schon 2015. ... Das politische Geschachere auf Kosten der Staatsanwälte oder auf Kosten der Justiz hat immer wieder für Streit gesorgt und wurde selbst im Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Antikorruptionsbekämpfung erwähnt.“