Wie wird Babiš Tschechien verändern?
Der umstrittene Medienmogul Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien gewonnen. Seine populistische und euroskeptische Partei Ano kam auf 29,6 Prozent der Stimmen. Die bisher regierende sozialdemokratische ČSSD stürzte auf 7,3 Prozent ab. Kommentatoren sehen die tschechische Demokratie bedroht und fürchten das Entstehen eines illiberalen Blocks im Osten Europas.
Demokratie in Gefahr
Mit diesem Wahlergebnis ist die Demokratie in Tschechien bedroht, warnt Chefredakteur Erik Tabery in Respekt:
„Niemand, dem die Zukunft Tschechiens wichtig ist, kann jetzt wegsehen. Die Atmosphäre in der Gesellschaft ist gefährlich radikalisiert. 130 von 200 Abgeordneten kommen aus Parteien, die die nachrevolutionäre Ära mehr oder weniger in Zweifel ziehen. Diese Politiker stellen alles so dar, als hätte diese Ära keine Erfolge gebracht. Hier ist tatsächlich das Vertrauen in die Grundfesten der Demokratie bedroht, was umso bemerkenswerter ist, dass Tschechien eigentlich ein erfolgreiches Land ist. Vertieft sich die Spaltung der Gesellschaft und vergrößert sich der Zweifel an der liberalen Demokratie, könnten die Folgen nachhaltiger und schmerzhafter werden. Bald wartet ein weiterer Test auf uns - die Präsidentschaftswahl Anfang nächsten Jahres. “
Erniedrigung für Sozialdemokraten
Besonders hart straften die tschechischen Wähler die bislang regierenden Sozialdemokraten von der ČSSD ab, registriert Pravda:
„Die Welt der traditionellen politischen Blöcke ist in Tschechien definitiv Vergangenheit. Die ČSSD erlebte ein Fiasko. Nach vielen Jahren wird sie nicht mehr nur keine der bislang zwei prägenden Parteien sein, an denen keine Regierungsbildung vorbeikam. Sie wird nach Lage der Dinge nicht mal eine starke Oppositionskraft werden. Freilich ist nicht ausgeschlossen, dass Babiš bei der Zusammenstellung der neuen Regierung auf die beiden Parteien zurückkommt, die er jetzt in den Wahlen so erniedrigt hat - die Sozialdemokraten und die Christdemokraten. Aber namentlich der ČSSD bliebe dort nur eine Statistenrolle. In der Opposition sich neu aufzustellen, dürfte jedoch in einem Umfeld, in dem Babiš und Fremdenfeinde dominieren, auch schwer sein.“
Die anti-elitäre Elite Tschechiens
Mit der Wahl hat sich die politische Landschaft völlig verändert, analysiert Mandiner:
„Die politische Elite Tschechiens hat von den Wählern eine brutale Ohrfeige bekommen. ... Während die Parteien der traditionellen Elite im 200-köpfigen Parlament bloß 78 Sitze erlangen konnten, vereinigten die neuen alternativen Kräfte insgesamt 122 Sitze auf sich. Diese Verschiebung der Kräfteverhältnisse kann getrost als Erdrutsch bezeichnet werden. ... Die Medien reden heute gern vom Untergang der Eliten. Gleichwohl ist in Tschechien die Situation anders: Der Elite-feindliche Töne spuckende Babiš ist nämlich keineswegs ein Außenseiter. Er erlangte sein Milliardenvermögen in den 1990er Jahren als integraler Teil der Elite. Folglich ist Babiš sozusagen der Repräsentant einer 'anti-elitären Elite'. Schade, dass die tschechischen Wähler dies nicht durchschaut haben.“
Prag entfernt sich weiter von Brüssel
Andrej Babiš wird Tschechien auf einen Anti-EU-Kurs bringen, fürchtet der Tages-Anzeiger:
„Seit der 63 Jahre alte Unternehmer vor vier Jahren die politische Bühne betrat, hat er seine Positionen nach Wind und Wählerstimmung ausgerichtet: vom Euro-Befürworter zum Euro-Gegner, von Zustimmung zur Einwanderung ins alternde und um Arbeitskräfte ringende Tschechien bis zur Gegenposition. Dieser Wechsel hat Babiš bei den Tschechen, die vor allem von ihren Präsidenten Václav Klaus und Miloš Zeman seit mehr als einem Jahrzehnt teils üble Anti-EU-Propaganda zu hören bekommen, Auftrieb verschafft. Nur noch 29 Prozent der Tschechen halten die EU für eine gute Sache. Babiš dürfte seinen Anti-EU-Kurs nun verstärken, vor allem auch angesichts des Wahlerfolges der populistisch-rechtsradikalen SPD.“
Ein illiberaler Block im Osten
In Europa vollzieht sich eine neue Ost-West-Spaltung, klagt Die Welt:
„Tschechien nähert sich ... Staaten wie Polen und Ungarn an, die schon seit geraumer Zeit den Weg in einen neuen (oder alten) Nationalismus beschreiten. ... Der Block der 'illiberalen Demokratien' wäre ein frontaler Angriff auf die EU als Rechtsgemeinschaft. Dass es schon fast dahin gekommen ist, beweist, dass die Osterweiterung der EU in ihrem Tempo voreilig war. Man achtete zu viel auf Lippenbekenntnisse und zu wenig darauf, ob die Kandidatenländer auch den Geist der europäischen Gesetze verinnerlicht hatten. ... Die EU ist heute viel schärfer zwischen Ost und West gespalten als zwischen Nord und Süd. Man kann gar nicht genug dankbar dafür sein, dass Frankreich heute von einem Präsidenten geführt wird, der diese Spaltung nicht hinnehmen wird und der mit großem Elan an die große EU-Reparatur geht.“