Welche Sprachenpolitik braucht die Ukraine?
Die Venedig-Kommission des Europarats hat am Montag ihre von Kiew angeforderte Einschätzung zum umstrittenen ukrainischen Bildungsgesetz veröffentlicht. Dieses setzt den Schulunterricht in den Minderheitensprachen fast vollständig aus. Die Kommission kritisierte dies vor allem mit Blick auf Russisch und verlangte Nachbesserungen. Wie sehr die Sprachen-Frage die Ukraine bewegt, zeigt ein Blick in die Zeitungen des Landes.
Gleichberechtigung sieht anders aus
Die Kommission macht in der Sprachenpolitik der ukrainischen Regierung erheblichen Nachholbedarf aus, erklärt Politologe Ruslan Bortnik in KP:
„Tatsächlich sprechen die Schlüsselthesen des Kommissionsberichts nicht für die Ukraine: das Gesetz muss überarbeitet werden, die bestehenden Rechte auf einen Unterricht in den Minderheitensprachen dürfen nicht eingeschränkt werden. Und dann ist da die Erwähnung des Wortes 'Diskriminierung'. Das heißt, der Bericht ist eine absolute Niederlage, jedoch nicht der Ukraine, sondern der 'Kriegspartei' an der Macht. Die Welt, Europa sagt uns, wie wir die Sprachpolitik ausgeglichener zu machen haben.“
Ukrainisch wurde jahrhundertelang diskriminiert
Aus historischen Gründen muss in der Ukraine zuallererst das Ukrainische geschützt werden, erklärt Journalist Walentin Torba in einem auf Ukrainisch und Russisch erschienenen Artikel in Den:
„Was den Fokus der Venedig-Kommission auf den Schutz des Russischen betrifft, so ist die Frage berechtigt, ob diese Kommission die Realität in der Ukraine überhaupt begreift. Es sollte nicht vergessen werden, dass die ukrainische Sprache auf dem Gebiet unseres Staats jahrhundertelang diskriminiert wurde. Auch die Zeit der Unabhängigkeit bildet leider keine Ausnahme, im Osten der Ukraine und auf der Krim wurde die ukrainische Sprache de facto von der russischen verdrängt. Jetzt ist ein Teil der Ukraine besetzt und dort wird eine harte Russifizierungspolitik betrieben.“