Unterhaus sichert sich Veto-Recht beim EU-Austritt
Das britische Parlament hat sich das Recht gesichert, über das Ergebnis der Brexit-Verhandlungen abzustimmen. Am Mittwoch votierte die Mehrheit der Abgeordneten gegen den Willen der Regierung für eine entsprechende Änderung des EU-Austrittsgesetzes. Ist dies eine herbe Schlappe für Premierministerin Theresa May oder ist diese vielleicht am Ende sogar darüber erleichtert?
Weicher Brexit ist wahrscheinlicher geworden
Die jüngste Niederlage im Unterhaus wird May bei den Brexit-Verhandlungen paradoxerweise stärken, meint The Times:
„Gehen wir einmal davon aus, dass Theresa May schon immer einen geordneten Austritt aus der EU angestrebt hat. Das glaubt zwar kaum jemand, entspricht aber ohne Zweifel den Tatsachen. Mit diesem geordneten Austritt sollen so viele Vorteile der EU-Mitgliedschaft wie möglich bewahrt werden. Wenn das Mays Ansatz ist, wird die Vorgabe, die Zustimmung des Parlaments zum Austrittsabkommen mit der EU erhalten zu müssen, der Regierungschefin letztlich helfen. Die Gefahr, die Abstimmung im Parlament zu verlieren, wird nun Teil ihrer Verhandlungsposition. Und sie wird May ebenso wie der schwammige Kompromiss in der irischen Grenzfrage in Richtung einer weicheren, nachgiebigeren Position leiten.“
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Die Abstimmungsniederlage von May zeigt, dass der Brexit noch längst nicht ausgemacht ist, glaubt Upsala Nya Tidning:
„Grundsätzlich sollte es selbstverständlich sein, dass das Parlament zu dem Abkommen Stellung nehmen kann. ... Aber politisch gesehen war die Abstimmung am Mittwoch eine ernsthafte Schlappe für die Regierung Theresa Mays. ... Eine Neuwahl ist durchaus denkbar. Die Kräfte, die einen 'weichen' Austritt wollen - und idealerweise wünschen, dass das Land in der Union bleibt - haben ihre Muskeln spielen lassen. Wahrscheinlich würde heute auch eine Mehrheit der Wähler den Ausstieg komplett absagen. Es wäre das Beste für Großbritannien und die EU. Es ist nicht sicher, dass das letzte Wort über den Brexit schon gesprochen wurde.“
Parlamentsentscheidung gibt Hoffnung
Endlich wird in Großbritannien sachlich über die Beziehungen zur EU diskutiert, frohlockt Financial Times:
„In gewisser Weise führt das Land jetzt die Debatte über den EU-Austritt, die vor dem Brexit-Referendum nötig gewesen wäre. Heute verstehen mehr Menschen, worum es sich bei dem politischen Konstrukt handelt, das Großbritannien verlässt - und welche Form der Beziehungen das Land mit diesem pflegt. ... Dass der Brexit überhaupt stattfindet, sorgt bei vielen für Enttäuschung. Doch die Wiederbelebung des Parlaments und das verbesserte öffentliche Verständnis von der britischen Position in der Welt geben trotz der bevorstehenden Herausforderungen Hoffnung.“
Abgeordnete haben nicht wirklich eine Wahl
Das Unterhaus wird sich am Ende der Brexit-Verhandlungen in einem Dilemma befinden, meint The Daily Telegraph:
„Entweder die Abgeordneten stimmen für das Abkommen über den EU-Austritt, so wie es ihnen von der Regierung vorgelegt wird. ... Oder sie lehnen das Abkommen ab. Doch dann wird Großbritannien die EU ungeordnet und ohne Übergangsphase verlassen. Und das bedeutet auch, dass es auf absehbare Zeit kein Handelsabkommen mit der EU geben wird. Das ist genau jenes Szenario, dass die Parlamentarier, die für das Vetorecht beim Brexit gestimmt haben, nach eigenen Angaben unbedingt verhindern wollen.“