Wirbel um Washingtons "Putin-Liste"
Die US-Regierung hat auf Verlangen des Kongresses eine Liste mit rund 200 als kremlnah eingestuften Politikern und Geschäftsleuten veröffentlicht. Aus Moskau kam Kritik, dort gibt es die Befürchtung, dass das Dokument als Grundlage für Sanktionen dienen könnte. Treibt Washington einen Keil zwischen Russlands Elite und den Präsidenten oder ist die Liste letztlich ein Schlag ins Wasser?
Russlands Elite bekommt ihre Aussätzigen
Die Liste wird den auf ihr genannten Personen das Leben schwer machen, glaubt Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow in einem von Echo Moskwy publizierten Facebook-Post:
„Die Liste ist nur eine Drohung, kein Schlag. ... Die Trump-Administration hat erklärt, dass sie die aktuellen Sanktionen für ausreichend hält. Doch nun beginnt ein politisches Spiel: Trump wird an die Wand gedrängt und dieses Dokument wird zum Joker in der Hand der Opposition. Man wird es überall mit einem gewissen Unterton diskutieren. … Bei uns hingegen kann man vielen Personen auf der Liste jetzt schon wie im Mittelalter ein Glöckchen für Aussätzige aushändigen. Von einigen werden sich auch ohne Sanktionen die Geschäftspartner distanzieren oder zumindest den Preis für die Zusammenarbeit hochschrauben - als Risikoaufschlag.“
Putins Machtpyramide könnte zerfallen
Dass das Dokument das Machtgefüge rund um Wladimir Putin ins Wanken bringen könnte, glaubt Journalist Ihor Witowytsch in Ukrajina Moloda:
„Ziel der Publikation der Liste sind weniger direkte Sanktionen als vielmehr die Demontage der Machtpyramide Putins. Denn jede kriminelle Machtpyramide wird nach einem einfachen Prinzip errichtet: Die unten bekunden demjenigen Loyalität, der an der Spitze steht. Im Gegenzug garantiert der 'Mafiaboss' Sicherheit und Straffreiheit für die Gruppenmitglieder. Doch nach dieser überführenden Veröffentlichung könnten einige der Unteren dem Boss zu verstehen geben, dass er seinen Pflichten nicht mehr nachkommt. Einzelne Elemente der Pyramide beginnen zu 'desertieren', was im weiteren Verlauf zu ihrem Zerfall führen könnte.“
Trump nimmt neue Attacken aus Moskau in Kauf
Für das Handelsblatt täuscht die Veröffentlichung Entschlossenheit vor, wo keine ist:
„Die Liste dürfte keine relevanten Konsequenzen nach sich ziehen, solange der US-Präsident ansonsten die Füße stillhält. Trump, der mit Strafzöllen einen Handelskrieg provoziert und regelmäßig mit internationalen Alleingängen Verbündete verprellt, bleibt ausgerechnet bei Russland nachgiebig. Er versagt damit seiner eigenen Bevölkerung einen Schutz vor demokratiefeindlichen Attacken aus dem Ausland. Während CIA-Chef Mike Pompeo schon vor neuen Angriffen auf die im Herbst anstehenden Midterms warnt, gibt Trump dem Kreml einen Freibrief, sich auch in Zukunft in Wahlprozesse einzumischen. Trump muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Eigeninteressen über Vernunft zu stellen. “
Das schweißt die Russen nur zusammen
Unter all den Namen fehlt nur Putin selbst, amüsiert sich die prorussische Tageszeitung Duma:
„Putin sagte sogar selbst, dass er deswegen beleidigt sei. Humor ist denn auch die einzige Art, auf die ein vernünftiger Mensch auf die fruchtlosen Bemühungen der US-amerikanischen Hegemonialmacht reagieren kann. … Die USA versuchen mittels Sanktionen den Russen ihre jetzige Regierung madig zu machen, damit sie bei den Wahlen für einen für die USA akzeptablen und bequemen Kandidaten stimmen. Hat Washington immer noch nicht begriffen, dass das nicht funktioniert? … Je mehr sie Putin dämonisieren, desto enger rückt das russische Volk zusammen und bekennt sich geschlossen zu ihm.“