Stellt sich Italien wieder hinter Berlusconi?
In Italien haben die Parteien am Dienstag ihre Kandidatenlisten für die Parlamentswahl am 4. März vorgelegt. Europäische Kommentatoren diskutieren vor allem ein mögliches Comeback des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi höchst kontrovers.
Repräsentanten einer verrohten Gesellschaft
Das Profil der aufgestellten Kandidaten spiegelt den Niedergang des Landes wieder, klagt Historiker Ernesto Galli della Loggia in Corriere della Sera:
„Der wirtschaftliche Abschwung wurde von etwas begleitet, das man wohl als grundsätzlichen Verfall bezeichnen muss. Etwas das über das BIP und die Investitionen hinausgeht. Eine Zersetzung der gesellschaftlichen Struktur des Landes, in der die Verrohung von Kultur und Sitten mit der Verbreitung von Verhaltensweisen einhergeht, die am Rande der Legalität sind. … Warum sollte ein solches Land eine andere politische Klasse haben als die, die es hat, oder andere Parlamentskandidaten als die, die ihm die Parteien soeben vorgeschlagen haben? Wir müssen uns mit der Wahrheit abfinden. Nur eine winzige Minderheit der Italiener will wirklich ein anderes Land - und das wissen die Politiker!“
Berlusconi weiß, was er versprechen muss
Die Partei des bis 2019 von öffentlichen Ämtern ausgeschlossenen Berlusconi könnte nach der Wahl wieder den Premierminister stellen, glaubt Polityka:
„Warum ist es für einen 2013 wegen Steuerbetrugs verurteilten und in beinahe jeder Hinsicht blamierten Berlusconi so einfach, in die italienische Politik zurückzukehren? ... Im Allgemeinen bemüht er sich um die konservativen Wähler. Aber er kämpft auch um die Stimmen der Vergessenen und Ausgeschlossenen, zum Beispiel der Hausfrauen, Arbeitslosen und Rentner. ... Berlusconi ist ein Mensch aus Fleisch und Blut mit all seinen Schwächen und Nachteilen. Er war schon einmal an der Macht, deshalb gilt er vielen Italienern als sicher. Und er verspricht auch noch, was die Italiener brauchen, zum Beispiel eine Pauschalsteuer und höhere Renten. Da kann das Gedächtnis schon mal nachlassen.“
Auf den Spuren Orbáns
Einen scharfen Richtungswechsel in der italienischen Flüchtlingspolitik prophezeit die regierungsnahe Wochenzeitung Figyelő für die Zeit nach der Parlamentswahl:
„Orbán hat recht behalten, 2017 war tatsächlich das Jahr des 'Aufbegehrens'. Sollte die Mitte-rechts-Koalition unter der Führung von Silvio Berlusconi ans Ruder gelangen, was aufgrund der Umfragen ziemlich wahrscheinlich ist, wird sich dieser Prozess 2018 fortsetzen: Auch in Italien wird der schrankenlosen Migration und der mit ihr einhergehenden tabuisierenden Political Correctness ein Ende gesetzt. ... Größter Gewinner dieses europaweiten Prozesses ist Ungarn, werden doch die früher scharf kritisierten ungarischen Lösungsvorschläge und Ansichten in immer mehr Ländern Europas übernommen. So wird der ehemalige ungarische Minderheitsstandpunkt von einem stetig wachsenden Lager geteilt.“