De Guindos wird neuer EZB-Vize
Spaniens Finanzminister Luis de Guindos soll neuer EZB-Vizepräsident werden, darauf haben sich die 19 Euro-Finanzminister verständigt. Weil somit erneut ein Südeuropäer das Vizeamt bekommt, werden Bundesbank-Chef Jens Weidmannn gute Chancen auf den EZB-Chefsessel 2019 eingeräumt. Dass de Guindos allerdings ein Fürsprecher der südlichen Euroländer wird, ist für Kommentatoren nicht ausgemacht.
Poker um Draghis Nachfolge hat begonnen
Mit der Ernennung von de Guindos zum Vize bereitet man bereits die Nach-Draghi-Ära vor, glaubt Il Sole 24 Ore:
„Deutschland reklamiert den Posten [des EZB-Chefs] für sich. Man sei nun an der Reihe. Es ist kein Geheimnis, dass Jens Weidmann, einst Berater von Angela Merkel und somit auch ihrer Politik nahe stehend, sich darauf vorbereitet, Super Mario im November 2019 abzulösen. Die EU-Finanzminister und Regierungschefs, in deren Macht die Entscheidung steht, halten es offenkundig für klug, schon mal vorbeugend einen ihrer Trümpfe auszuspielen und einen erfahren Politiker zum Vize zu ernennen. Er soll sozusagen das Gegengewicht zu Jens Weidmann bilden, der nicht minder erfahren und kompetent ist, jedoch Hardliner mit einer streckenweise etwas rigiden Dialektik.“
Hoffentlich wird er kein Hardliner
Nur sehr verhaltene Freude über die Ernennung stellt sich bei El País ein:
„Hoffentlich werden wir, die wir die Kandidatur von de Guindos (wenn auch nicht kritiklos) unterstützt haben - eben weil Spanien bislang unterrepräsentiert war - diese Entscheidung später nicht bereuen. Hoffentlich setzt der künftige Vizepräsident, wenn es denn daran geht, die expansive Geldpolitik der EZB anzupassen, auf eine sanfte Aufgabe der Konjunkturimpulse. Hoffentlich verteidigt er nicht wieder die orthodoxesten Vorschläge, so wie er sich in der Eurogruppe hinter Wolfgang Schäuble stellte. Denn davon hängt es ab, ob die steigenden Zinsen für die vom Wirtschaftsministerium unter seiner Führung angehäuften Schulden letztlich das spanische Wachstum erdrücken werden.“
Blasen können jeden Moment platzen
De Volkskrant nimmt die Personalie zum Anlass, um sich die Herausforderungen der EZB anzuschauen:
„Unter Draghis Führung hat die EZB so viele Schulden aufgekauft, dass die Bilanz auf die astronomische Summe von 4,5 Billionen Euro gewachsen ist. Damit geht die EZB sehr hohe Risiken ein. Durch die niedrigen Zinsen und die enormen Geldspritzen entstanden überall Blasen, die jeden Moment platzen können: Die Wirtschaft ist süchtig nach den niedrigen Zinsen. Es wird nicht einfach, diese irgendwann einmal wieder zu erhöhen. ... Simple Lösungen gibt es nicht, aber die Risiken der heutigen Politik müssen verringert werden. Da jetzt die Konjunktur wieder gut läuft, ist es höchste Zeit, den Geldhahn zuzudrehen und die Zinsen leicht zu erhöhen.“
Wieder vollkommen undemokratisch
L'Echo wünscht sich ein demokratischeres Verfahren bei der Kandidatenwahl für solch hohe EU-Ämter:
„Die EU-Abgeordneten haben hier lediglich beratende Funktion. In Zeiten, in denen die EU nach der richtigen Formel sucht, um ihre Institutionen bürgernäher zu machen, könnte sie ihre Gleichung durch folgende Frage ergänzen: Warum sollte das Parlament bei solchen Nominierungen kein Vetorecht haben? Dann würden seine Überlegungen ernst genommen und die Legitimation der EZB-Führung gründete sich nicht mehr allein auf der Eurogruppe, der Blackbox der europäischen Demokratie.“