Merkel und Macron: Gewinnt Europa neuen Schwung?
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron haben sich am Dienstag in Meseberg auf Reformvorschläge für die EU geeinigt - unter anderem ein Eurozonen-Budget. Für Kommentatoren wurde das Treffen allerdings komplett überlagert vom Ärger in der Flüchtlingspolitik, den Merkel zu Hause hat. Sie ziehen unterschiedliche Schlüsse, wie sich dieser auf den deutsch-französischen Motor auswirkt.
Nur deutscher Kleingeist und Kleinkrämertum
Ein Eurozonen-Budget im unteren zweistelligen Milliardenbereich - für den Deutschlandfunk sind die Ergebnisse des lang erwarteten Treffens ernüchternd:
„Union und SPD versprachen einen neuen Aufbruch für Europa und mehr Geld für Europa. ... Und nun? Alles wird überlagert von hausgemachten deutschen Problemen in der Flüchtlingspolitik und von der deutschen Furcht, montags bis freitags ja nicht zu viel für dieses Europa auszugeben, von dem es sonntags immer heißt, es sei unsere Zukunft, und zwar die einzige, die wir haben. Mehr Kleingeist und mehr Kleinkrämertum geht kaum noch, mehr Widersprüchlichkeit in der deutschen Europapolitik auch nicht. Immerhin hat Emmanuel Macron Angela Merkel in einem Punkt wohltuend unterstützt. Auch er will eine abgestimmte europäische Flüchtlingspolitik, so wie sie auch Merkel bevorzugt, aber zuhause gegenüber der CSU eben nicht durchsetzen kann.“
Deutsch-französischer Motor stottert
Enttäuscht über das Treffen ist auch Hospodářské noviny:
„Das deutsch-französische Tandem leidet unter den unterschiedlichen Herangehensweisen der erfahrenen Kanzlerin und des jungen Präsidenten. Merkel ist zudem zuhause wegen der Migrationsdebatte in einer schwachen Position, Macrons Reformergebnisse in Frankreich sind durchwachsen. Das gestrige Treffen zeigte, dass der Präsident seinen Kampf vor allem allein austragen muss. Europa braucht derzeit den deutsch-französischen Motor aber mehr denn je. Nicht nur wegen der Auswirkungen der Migrationskrise, sondern wegen der globalen Veränderungen - inklusive Donald Trump. Der sucht jede Gelegenheit, die europäische Einheit zu untergraben.“
Ärger zu Hause treibt Merkel in Macrons Arme
Für Delo hat die Tatsache, dass Merkel innenpolitisch in der Defensive ist, hingegen die gegenteilige Wirkung:
„Der starke Druck, dem sie zu Hause ausgesetzt ist, wird vielleicht zu einer europäischen Annäherung führen, auf die Frankreichs Präsident bisher warten musste. ... Das Euro-Budget ist für einige das Paradebeispiel der Ausweitung des französischen Zentralismus auf ganz Europa. Doch hätten dessen Kritiker daran denken müssen, bevor die bayerischen Konservativen, aus Angst vor den zerstörerischen Folgen der Flüchtlingskrise, die Kanzlerin in die Ecke gedrängt haben. Die zeitlich begrenzte Suche nach europäischen Lösungen bringt ein politisches Geben und Nehmen, dem man vielleicht hätte entgehen können.“
Der Präsident muss die Kanzlerin retten
Das Spitzentreffen in Schloss Meseberg war der Beginn einer spektakulären Rettungsaktion für Merkel, urteilt Corriere della Sera:
„Die deutsch-französischen Konsultationen sind der erste Akt einer diplomatischen Offensive, deren unmittelbares Ziel nicht mehr und nicht weniger darin besteht, das politische Überleben von Angela Merkel zu sichern. ... Man sprach über alles Mögliche, aber eigentlich war der Knackpunkt die Flüchtlingsfrage, nach dem Ultimatum, das Merkel von ihren bayerischen Verbündeten gestellt worden war: Die Kanzlerin hat bis Ende Juni Zeit, bilaterale Abkommen mit europäischen Partnern auszuhandeln, um Flüchtlinge an der deutschen Grenze abzulehnen, die sich bereits in anderen EU-Ländern registriert haben. Andernfalls droht Deutschland eine politische Krise. Eine Krise, die auch das Ende für Macrons ehrgeizige Pläne bedeuten würde.“