Athener Feuerkatastrophe: Wer muss zurücktreten?
Nach den verheerenden Waldbränden nahe Athen, bei denen fast 90 Menschen starben, ist der Vize-Minister für Katastrophenschutz, Nikos Toskas, zurückgetreten. Seit Tagen diskutieren Politiker und Medien die Konsequenzen öffentlich gewordener Versäumnisse. Medien glauben, dass es mit dem Rücktritt des Ministers noch lange nicht getan ist.
Tsipras hat alles falsch gemacht
Für Kathimerini kann der Rücktritt des Ministers nur der Anfang der Aufarbeitung sein:
„Der Rücktritt Toskas' war durch das Ausmaß der Tragödie und den Umgang mit ihr erforderlich. ... Jede Regierung sucht nach einer Iphigenie um sie zu opfern, wenn sie mit der allgemeinen Wut konfrontiert wird. Die Frage ist, ob der Premier, wenn auch spät, seine extremen Versäumnisse in Fragen der öffentlichen Sicherheit erkennt. Die Politik seiner Partei Syriza, die Personen, die Lockerheit, alles ist falsch. ... Die Frage ist, ob Entscheidungen getroffen werden, um weitere Verluste während der Amtszeit dieser Regierung zu verhindern oder ob Vetternwirtschaft und ideologische Obsessionen sich durchsetzen werden, was für das Land sehr gefährlich wäre.“
Fataler Mangel an Empathie
Tsipras' politische Zukunft ist in Gefahr, beobachtet die Korrespondentin des griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Istanbul, Ariana Ferentinou, in Hürriyet Daily News:
„Die linksgerichtete griechische Regierung leidet unter dem größten Schlag gegen ihr Image seit ihrem Antritt im Herbst 2015. Vor allem die langsame Reaktion und der Mangel an überzeugender Empathie des Premiers Alexis Tsipras beschädigten sein Image in einer Zeit, in der er einen Popularitätsschub äußerst nötig gehabt hätte. ... In den nächsten Tagen werden vermutlich noch mehr Köpfe rollen, um die öffentliche Ablehnung der 'ersten linken Regierung Griechenlands' wieder ins Gegenteil umzukehren - jene, die an die Macht gelangte, weil sie für Solidarität und Sorge um die Bedürftigen warb. ... Es wird dringend ein neues effektives Regierungsteam benötigt, um Tsipras' Image aufzupolieren.“
Verantwortung eingestehen und Konsequenzen ziehen
Die Regierung muss für ihr miserables Katastrophen-Management die Verantwortung übernehmen, schimpft Ta Nea:
„Noch immer fehlt eine Diskussion über die Gründe für das Versäumnis, eine Evakuierung anzuordnen, sowie für die schlecht geplante und so sehr verzögerte Rettungsaktion. Noch immer werden verkohlte Leichen und ertrunkene Menschen entdeckt. Aber die Regierung weigert sich, sich zu entschuldigen und echte Verantwortung zu übernehmen. Wie zu Zeiten der kommunistischen Ära, als man störende Menschen aus dem Bild wegretuschierte, versucht die griechische Regierung, störende Emotionen zu ignorieren. Doch die Wut lässt sich nicht ausradieren. Im Gegenteil, sie flammt auf.“
Opposition geht schamlos über Leichen
Es ist vielmehr die Opposition, die sich skrupellos der eigenen Schuld entziehen will, kontert die regierungsnahe Avgi:
„Die Partei Nea Dimokratia setzt seit Anbeginn der nationalen Katastrophe allein darauf, das Unglück politisch auszuschlachten. ... Ihr einziges Ziel ist, die Stimmung für den Sturz der Regierung anzustacheln, und sie schadet dabei dem Zusammenleben im Alltag und verstärkt die Probleme der Bürger. Dabei arbeitet sie eng mit bestimmten Medien, Verlegern und Journalisten zusammen. … Mit dieser kommunikativen Taktik versucht Nea Dimokratia, von jeder Diskussion über ihre eigene Verantwortung [als ehemalige Regierungspartei] abzulenken. … Nea Dimokratia versucht eine Erpressung und geht dabei buchstäblich über Leichen.“