Stichwahl in Brasilien: Rechtsextremer ist Favorit
Brasilien steht vor einem politischen Erdbeben. Mit 46 Prozent der Stimmen hat der rechtsextreme Jair Bolsonaro von der PSL die Präsidentschaftswahl schon im ersten Wahlgang beinahe gewonnen. In drei Wochen trifft er in der Stichwahl auf den Ex-Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT. Für Kommentatoren das Ergebnis eines gescheiterten politischen Systems.
Populisten hatten leichtes Spiel
Der Überdruss an der bisherigen Politik führt auch in Brasilien zum Sieg der Populisten, erläutert Diplomat Michele Valensise in La Stampa:
„In fast dem ganzen Land, insbesondere im industriell geprägten, weit entwickelten Süden, waren die Bürger fast geschlossen für einen Politiker, der wegen seiner reaktionären Rhetorik und zuweilen nostalgischer Haltung gegenüber dem Militärregime mehr als umstritten war. Vor allem aber siegten der Wille zum Wandel und das Misstrauen gegenüber den bekannten Gesichtern der Politik. Die lange Wirtschaftskrise Brasiliens und die Ablehnung der weit verbreiteten Korruption in Politik und Wirtschaft durch den einfachen Mann waren ein gewaltiger Nährboden für Proteste, die von dem ehemaligen Mann des Militärs und seinen sich stetig mehrenden Sponsoren skrupellos genutzt wurden.“
Der brasilianische Traum ist geplatzt
Bolsonaros Sieg verbaut die Chance auf Versöhnung in Brasilien, bemerkt Jornal de Negócios:
„Bolsonaro ist in seinem faschistischen Extremismus die radikale Antwort auf die Korruption der PT und die mangelnde Sicherheit im Lande. Sein Sieg bedeutet die Implosion des brasilianischen Traums: Das Land der Zukunft, welches sich auf Lebensfreude, Samba und Fußballschuhe gestützt hat, hat nun erkannt, dass es auf tönernen Füßen steht. Bolsonaros Sieg bedeutet das Ende der großen brasilianischen Versöhnung, die Ex-Präsident Lula da Silva in seinen besten Jahren zwischen der Elite und den Ausgeschlossenen des Landes vorangetrieben hat. ... Doch die Bestechungs- und Korruptionsskandale haben die PT erschüttert - und somit den Traum von der nationalen Versöhnung und einer wohlhabenden Zukunft zerstört.“
Rechte gewinnt die Oberhand in Südamerika
Der Rechtsruck Lateinamerikas hat viel damit zu tun, dass die Bürger von den linken Regierungen enttäuscht sind, erklärt El Periódico de Catalunya:
„Die Wähler des lateinamerikanischen Giganten haben die letzten moralischen Bedenken beiseite geschoben und mit allen Konventionen gebrochen, um sich in die Hände eines Mannes zu begeben, der Trump ideologisch sehr nahesteht. Nach der Wahl von Sebastián Piñera in Chile und Iván Duque in Kolumbien bestätigt Bolsonaros Sieg den politischen Wandel in Südamerika. Die geschwächte Linke ist ihren eigenen Fehlern zum Opfer gefallen - ihrer Neigung, sich denselben Lastern hinzugeben, die sie aus der Opposition heraus kritisiert hatte. ... Das Wahlergebnis ist gleichermaßen eine Unterstützung für Bolsonaro wie ein Abrechnen mit dem politischen Establishment der vergangenen drei Jahrzehnte.“